Welche Landwirtschaft brauchen wir in der Zukunft für die Ernährung der Menschheit?
Der Vortrags- und Diskussionsabend machte deutlich, ein „Weiter so“ darf es nicht geben
Herrieden, 24. April 2024 – Besagter Frage stellten sich der Pfarrer i.R. Günther Brendle-Behnisch und die beiden Biolandwirte Jürgen Schilling und Tristan Billmann im Rahmen einer Veranstaltung der ÖDP in Herrieden-Schernberg
Der Vortrags- und Diskussionsabend warf ein kritisches Licht auf die zunehmende Massenproduktion von Nahrungsmitteln und die Industrialisierung und machte deutlich, ein „Weiter so“ darf es nicht geben
Zunächst erörterte Günther Brendle-Behnisch die globale Ernährungssituation. Derzeit leben acht Milliarden Menschen auf diesen Planeten und um 2050 werden es zehn Milliarden sein. Das Ziel, den Hunger in der Welt auszurotten, wurde krachend verfehlt. Dabei vertreten die Agrarindustrie, Lobbyisten, Agrochemie und der Bauernverband nach wie vor die Meinung nur mit konventioneller Landwirtschaft, mit immer größer, weiter und rationalisierter, ließe sich die Menschheit ernähren. Dabei zeigt sich, dass gerade diese Entwicklung den Hunger in der Welt verschärft. Die sogenannten Entwicklungsländer produzieren oft weit mehr als ihre Bevölkerung bräuchte, aber nicht für ihr Volk, sondern für den Weltmarkt. Über die Händler und die Börse werden die Nahrungsmittel dann so verteuert, dass sich die Menschen in diesen Ländern ihre eigenen Produkte nicht mehr leisten können. Wir haben genug Lebensmittel, um die Welt zu ernähren, aber ein massives Verteilungsproblem. Noch dazu werden Lebensmittel im großen Stil weggeworfen bzw. gezielt vernichtet. In Deutschland sind es 11 Mio. Tonnen. „We feed the World!“ – Ein zynisches Versprechen, so Brendle-Behnisch, das auch von den Größenverhältnissen her der Wirklichkeit widerspricht:
Nur 25 % der Welt-Nahrungsmittelproduktion sind die großen Player, 75 % stammt aus kleinen und sehr kleinen Höfen.
Tristan Billmann aus Gunzendorf bei Emskirchen, Biolandwirt aus Leidenschaft stellte seinen Fahrplan für eine zukunftsfähige bäuerliche Landwirtschaft vor und ging dabei auch auf die Förderprogramme der EU ein. Die Subventionen für die Landwirtschaft sind nach wie vor auf die Fläche bezogen, das bedeutet, große rationalisierte Ackerbaubetriebe mit wenig Arbeitskräften erhalten ein Mehrfaches an Förderung je Arbeitskraft als ein kleiner Betrieb mit Viehhaltung. Auch nach der jüngsten EU-Agrarreform bemisst sich die Höhe der Direktzahlungen nach der Größe der Höfe und ist kaum an Auflagen geknüpft. Wer mehr für die Umwelt oder das Tierwohl leistet, bekommt jedoch zusätzlich Geld. Die Förderung für Biobetriebe und für alle Maßnahmen, die der Umwelt- dem Natur- und Klimaschutz dienen müssen stärker gefördert werden. Tristan Billmann mahnte eine Entbürokratisierung an. Eine einfachere Antragstellung ist von Nöten und man muss weg von der Flut von Vorschriften und Anträgen.
Jürgen Schilling, engagierter Biolandwirt aus Schnepfendorf bei Rothenburg widmete sich dem Thema „Neue Gentechnik“. Im Gegensatz zur „alten“ Gentechnik werden nicht mehr artfremde Genabschnitte ins Genom eingebracht, sondern es wird an bestimmten Stellen im Genom der DNA-Strang so lange zerschnitten (Gen-Schere), bis die Reparatur der Zelle eine Veränderung herstellt. Dabei können auch unerwartete Effekte auftreten. Dieser Vorgang ist patentierbar und die Biotechnologie-Firmen nutzen dies und versuchen auf Genveränderungen Patente zu erhalten, auch wenn diese ohne Gentechnik entstanden sind. Die Reichweite der Patente erstreckt sich oft vom Saatgut bis zum fertigen Nahrungsmittel.
Jürgen Schilling ging auf die Argumente ein, die pro Gentechnik verwendet werden. Derzeit wird propagiert, dass die Pflanzen so dem Klimawandel angepasst werden können. Dabei muss aber berücksichtigt werden, so Schilling, dass es nicht nur Trockenphasen gibt, sondern auch vermehrt Überschwemmungen. Hier ist vor allem ein gesunder Boden wichtig, der die Wetterextreme abpuffern kann. Das Argument, den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln zu reduzieren, wurde schon in der Vergangenheit widerlegt. Genau das Gegenteil war der Fall. Als sehr bedenklich erwähnte Jürgen Schilling den Vorschlag der EU-Kommission bei weniger als 20 Veränderungen die gentechnisch veränderten Pflanzen mit herkömmlich gezüchteten Pflanzen gleichzustellen, nicht zu deklarieren und kein Standortregister zu führen. Das ist vor allem für angrenzende Biolandwirte und auch für die Verbraucher problematisch. Er wies darauf hin, dass es einige Petitionen zu dem Thema gibt und die Bürger sich hier wirklich gut informieren und auch engagieren sollen. Das Vorsorgeprinzip darf nicht ausgehebelt werden.
Im Anschluss an die Redebeiträge entwickelte sich eine lebhafte Diskussion mit den Zuhörern.
Die Zukunft der bäuerlichen Landwirtschaft ist jetzt
Für die Ernährung der Menschen sind weder die Gentechnik noch die Großkonzerne notwendig. Wichtig sind gesunde Böden, regionale Strukturen, weniger und qualitätsbewusster Fleischkonsum und mehr biologische Landwirtschaft.