Spektakulärer Dachbodenfund in der Ansbacher Altstadt
Ansbach, 20. März 2023 – 170 größtenteils handschriftliche Dokumente aus der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts sind bei der Sanierung eines mittelalterlichen Hauses in der sogenannten Neustadt (Johann‐Sebastian‐Bach‐Platz 26) aufgetaucht. Der Eigentümer wandte sich an den Förderverein Retti e.V. Der Verein setzt sich für den Erhalt und die Erforschung der Geschichte von kulturhistorisch bedeutsamen Ansbacher Bauwerken ein.
Hier wurde das Material gesichtet, teilweise transkribiert und dem Eigentümer die Empfehlung ausgesprochen, den Fund an das Ansbacher Stadtarchiv zu übergeben. „Der Dachbodenfund ist ein spannender Quellenschatz“, so der Vereinsvorsitzende Dr. Christian Schoen, „der für Rechts‐ und Kulturhistoriker von großem Interesse sein dürfte.“
Bei dem Dachbodenfund handelt es sich um Das älteste Dokument stammt aus dem Jahr 1726, das jüngste ist auf das Jahr 1799 datiert. Sie umfassen somit eine Zeitspanne der großen politischen und gesellschaftlichen Umbrüche – in Europa und in der Markgrafschaft Ansbach. Der Förderverein hat alle Dokumente chronologisch sortiert und in einer Liste kurz erfasst. Ergänzend wurden von Herrn Ringhand ca. zwei Drittel digitalisiert und über 40 Briefe transkribiert. „Es war schon eine Herausforderung und recht spannend, etwa 250 Jahre alte sehr verschiedene Handschriften zu lesen, die mit lateinischen, französischen und längst veralteten Worten gespickt waren“ bemerkte Eugen Ringhand, „man taucht beim Übertragen der Texte in eine wirklich fremde Welt ein.“
Was beinhalten die Dokumente?
Die gesichteten Dokumente können grob in folgende Themenbereiche aufgegliedert werden:
- Berichte von Gesandten des Ansbacher Markgrafen in Wetzlar, dem Sitz des Reichskammergerichts. In diesen Schreiben geht es um den desolaten Zustand und die fragliche Zukunft des Reichskammergerichts und der Reichsritterschaft.
- Rechtsangelegenheiten von Bürgern aus dem Fürstentum, mit denen diese sich an Personen in der Regierung in Ansbach wandten.
- Seit das Fürstentum Bayreuth von Ansbach aus verwaltet (1761) und 1791 ganz an Ansbach angeschlossen wurde, bezieht sich der Briefverkehr von Regierungsmitgliedern zwischen Ansbach und Bayreuth häufig auf diese Tatsache – politisch wie privat. Das heißt: es häuften sich Klagen um Benachteiligung in der Rangstellung bei der Vergabe von Ämtern.
- Gedruckte Dekrete und Bekanntmachungen meist von Markgraf Alexander.
- Listen vom Hausratbestand adeliger Personen, von Bücher‐ und Bilderauktionen aus dem Bestand von Nachlässen, Verzeichnisse von Vermögen und Grundstücken, der Lebenslauf vom Sohn eines Konsistorialbeamten, der Mietvertrag von Frau von Wechmar (Ministersgattin), ein paar Exemplare der Intelligenzzeitung, Buchfragmente eines naturwissenschaftlichen und eines in Latein geschriebenen Buches – in beiden Fällen von Ansbacher Autoren verfasst. Von Steingruber finden sich die Blätter „A“ und „E“ seines Architekturalphabets, das als Digitalisat im Internet zu finden ist (https://www.digitale‐sammlungen.de/de/view/bsb11216115?page=80). Bei einem Notenblatt handelt es sich um ein Fragment einer Bassstimme wohl eines mehrstimmigen und mehr‐sätzigen Werkes für Streicher aus der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts. Das letzte datierte Blatt ist eine Rechnung von 1799.
Wer wohnte in diesem Haus?
Als Bewohner um 1800 konnten zum einen der Bürgermeister Heinrich Gottlob Billing festgestellt werden, der das Haus von 1740 wahrscheinlich bis zu seinem Tod 1800 bewohnte, zum anderen der nachfolgende Hausbesitzer Georg Friedrich Hamberger, über den noch zu wenig bekannt ist. Für die Hausgeschichte ist unser Wissen noch ähnlich gering, da der heutige Zustand aus der Zusammenfügung zweier Häuser im 18 Jahrhundert resultiert und sich somit noch andere Besitzer ergeben könnten.
Warum wurden die Dokumente versteckt?
Hierüber können nur Spekulationen angestellt werden. Hamberger könnte die Dokumente nach dem Tod seines Vorgängers auf dem Dachboden entdeckt und irgendwann versteckt haben, auch wenn aus heutiger Sicht kein Grund dafür ersichtlich ist. Vorstellbar mag sein, dass es 1806 Anlass gab, die Dokumente vor den Franzosen zu verbergen, die Ansbach belagerten. Bei den meisten Dokumenten handelte es sich schließlich um Relikte nun alter Zeiten, unter denen die Franzosen einen Schlussstrich gezogen haben. Vielleicht wurde eine Beschlagnahmung der Papiere befürchtet. Später sind sie vergessen worden. Außerdem gab es nach der Auflösung des Reichskammergerichts 1806 eine Verpflichtung, alle Akten und Korrespondenzen, die mit diesem Gericht in Zusammenhang gebracht werden können, in Wetzlar abzuliefern. Das wollte vielleicht jemand verhindern. Zu fragen ist auch: Wurden die Dokumente aus dem Bewusstsein ihres historischen Wertes oder aus persönlichen Gründen lieber versteckt, statt dass sie Gefahr laufen, verbrannt zu werden? Brandspuren sind tatsächlich vorhanden.
Empfehlung zum Verbleib
Bei dem Fund handelt es sich um bedeutsame Quellen, die fachgerecht gelagert und archiviertgehören, um der Wissenschaft zur Verfügung gestellt zu werden. Somit empfehlen wir unbedingt, den Fundgeschlossen an ein Archiv zu geben. Infrage kommt das Staatsarchiv in Nürnberg oder das Stadtarchiv inAnsbach. Da es sich um einen bedeutsamen Fund in einem Ansbacher Wohnhaus handelt und der lokaleBezug auch inhaltlich gegeben ist, empfehlen wir die Weitergabe der Dokumente und das Stadtarchiv Ansbach.
Info: Förderverein Retti e.V.