Anzeige

Zwischen Klinik und Klassenzimmer

Zeugnisübergabe in der Ansbacher Forensik: Patienten glänzen mit überdurchschnittlich guten Noten

Ansbach, 20. Juli 2024 – Am 26. Juli ist es wieder so weit. Die Schülerinnen und Schüler in Bayern erhalten ihre Zeugnisse – und einige von ihnen werden angesichts der Noten mit einem mulmigen Gefühl in die Sommerferien gehen. Anders bei den Patienten der Klinik für Forensische Psychiatrie in Ansbach:

Bei der Zeugnisübergabe am vergangenen Dienstag gab es nur glückliche Gesichter, denn die Schüler haben überdurchschnittlich gut abgeschnitten.

Ein junger Mann, Mitte 20, freut sich. In den vergangenen Wochen und Monaten hat er sich intensiv mit dem Lernstoff beschäftigt – jetzt hält er die Mittlere Reife in den Händen. Sein Wunsch: Irgendwann einmal die Fachoberschule besuchen und dann vielleicht studieren.

Ein etwas älterer Patient, Anfang 30, erzählt, dass er den Qualifizierenden Mittelschulabschluss, den sogenannten Quali, für seine Mutter gemacht hat. Der Unterricht, gerade in Mathe, ist für ihn manchmal etwas zu schnell gewesen. Doch er hat sich die Aufgaben nach dem Unterricht eigenständig erarbeitet. Auch er kann sich ein Studium vorstellen – besonders interessieren ihn naturwissenschaftliche Fächer wie Physik, Mathematik und Biologie, aber auch Musik.

Ein Dritter, der ebenfalls einen Quali erworben hat und jetzt die Mittlere Reife anstrebt, lobt die gute Unterstützung durch die Lehrkräfte, die die Schüler sogar auf der Station besucht und Nachhilfe gegeben haben. Sein Ziel ist eine kaufmännische Ausbildung.

So viel Zukunft war noch nie

Insgesamt haben 34 Patienten ihren Abschluss erhalten: 16 den Mittelschulabschluss mit einem Gesamtnotendurchschnitt von 1,3, 15 den Qualifizierenden Mittelschulabschluss mit einer Durchschnittsnote von 1,9 und drei die Mittlere Reife mit einem Notendurchschnitt von 1,89. So viel Zukunft war noch nie! Denn mit diesen Zeugnissen steigen die Chancen der Schüler auf ein gutes Leben nach der Therapie.

„Der Schulabschluss ist ein entscheidender Schritt für eine erfolgreiche Resozialisierung“, sagt Dr. Martina Weig, Maßregelvollzugsleiterin der Klinik für Forensische Psychiatrie am Bezirksklinikum Ansbach. „Er bildet die Grundlage dafür, dass die Absolventen eine weiterführende Schule besuchen oder im Arbeitsleben Fuß fassen können. Zudem haben die Schüler durch ihre Teilnahme am Unterricht die Entscheidung getroffen, sich weiterzubilden und ihre Zukunft aktiv zu gestalten. Sie stehen pünktlich auf, erledigen ihre Hausaufgaben, zeigen Durchhaltevermögen und stellen sich den Prüfungen. Diese Eigenschaften kommen ihnen nicht nur in der Schule, sondern auch im weiteren Leben zugute.“

Bestnoten trotz ungewöhnlichen Bildungswegs

Die 34 Patienten sind zwischen 20 und 40 Jahre alt. Sie wurden im Zusammenhang mit einer psychischen Erkrankung oder Suchterkrankung straffällig, auf Weisung des Gerichts werden sie in einer Klinik für Forensik behandelt. Viele von ihnen haben die Schule abgebrochen oder nie eine Schule besucht. Ein Teil von ihnen hat einen Migrationshintergrund und musste erst die Sprache lernen. Dieser heterogene Bildungshintergrund machte den Unterricht nicht immer einfach. Dennoch erzielten die Patienten zum Teil bessere Noten als ihre Kolleginnen und Kollegen auf den öffentlichen Schulen. Was ist das Erfolgsgeheimnis?

„Die Schüler bei uns sind älter“, sagt Gerhard Sonnenleiter, Lehrer am Bezirksklinikum Ansbach. „Sie können besser einschätzen, wie wichtig ein Schulabschluss ist, zumal viele von ihnen bereits die Erfahrung gemacht haben, dass man ohne Bildung im Leben nicht weit kommt. Außerdem gibt es bei uns keine Schulpflicht. Die Patienten entscheiden sich freiwillig dafür, die Schulbank zu drücken. Das stärkt ihr Gefühl der Autonomie und führt zu einem höheren Engagement und besseren Leistungen.“

Neben dem klassischen Schulwissen wie Deutsch, Wirtschaft oder Mathematik erwerben die Schüler auch viele alltagsrelevante Kenntnisse. So stehen Themen wie Bewerbungsschreiben, Wohnungssuche oder Versicherungen ebenfalls auf dem Programm.

Kooperation mit der Mittelschule Dietenhofen und der Luitpoldschule Ansbach

Für die Abschlüsse kooperiert die Klinik für Forensische Psychiatrie mit der Mittelschule Dietenhofen und der Luitpoldschule Ansbach. Die Schüler in der Forensik erhalten die gleichen Prüfungen wie ihre Kolleginnen und Kollegen an den öffentlichen Schulen, müssen diese jedoch innerhalb der Klinik ablegen. „Ich danke der Mittelschule Dietenhofen und der Luitpoldschule Ansbach für die hervorragende Zusammenarbeit“, sagt Dr. Martina Weig. „Den 34 Absolventen gratuliere ich herzlich zu ihrem Erfolg. Mit diesem Abschluss könnten sich ihnen neue Möglichkeiten für eine erfolgreiche Zukunft nach der Therapie eröffnen“.

Quelle: Pressemitteilung, Bezirkskliniken Mittelfranken