Mittelfranken: +++ Europäischer Tag des Notrufs – Das Polizeipräsidium Mittelfranken stellt seine Einsatzzentrale vor +++
Sonntagabend, 20:37 Uhr, Notrufannahme in der Einsatzzentrale der mittelfränkischen Polizei.
„Hier ist der Polizeinotruf!“
„Hallo, wir sind in Feuchtwangen, wir haben einen Unfall gehabt…“
Bei winterlichen Straßenverhältnissen sind bei Feuchtwangen zwei entgegenkommende Fahrzeuge kollidiert. Im Hintergrund hört man eine Frau weinen. Der Einsatzdisponent am Notruf macht sich umgehend ein Bild von der Situation vor Ort. Mit ruhiger Stimme stellt er zielgerichtete Fragen: „Wo sind sie genau? Ist jemand verletzt?“ Bereits während des Gesprächs legt er im Einsatzleitsystem einen Datensatz an und veranlasst zeitgleich, dass Einsatzkräfte von Rettungsdienst und Polizei die Unfallstelle anfahren. Abschließend beruhigt der Disponent den Anrufer: „Wir sind unterwegs zu Ihnen!“
An diesem Sonntag trägt der starke Schneefall in Mittelfranken dazu bei, dass Polizei, Feuerwehr und Rettungsdienst für die nächsten Stunden alle Hände voll zu tun haben werden. Bis zum Ende der Nacht werden es alleine 73 Verkehrsunfälle sein. Jeder von ihnen wird über die Einsatzzentrale des Polizeipräsidiums koordiniert werden.
„Oft wird die Einsatzzentrale als Herz der Polizei bezeichnet. Ein sehr bildhafter Vergleich, aber damit hat man sicher auch nicht ganz Unrecht.“, erklärt Polizeidirektor Peter Herold. Seit Dezember 2018 ist er Leiter der mittelfränkischen Einsatzzentrale. Deren 88 Beschäftigen sorgen dafür, dass die Polizei über die Notrufnummer 110 rund um die Uhr erreichbar ist. Der Zuständigkeitsbereich der mittelfränkischen Polizei umfasst den gesamten Regierungsbezirk mit seinen mehr als 1,7 Mio. Einwohnern. Pro Tag gehen in der Einsatzzentrale der Polizei mehrere hundert Notrufe ein. Im vergangenen Jahr waren das rund 206.000 Anrufe. Die Zahl der Einsätze, die unter Beteiligung der Einsatzzentrale abgewickelt werden, ist nochmals höher. Für das Jahr 2020 sind im Einsatzleitsystem über 277.000 Einsätze dokumentiert. „Rein rechnerisch sind das mehr als 750 Einsätze pro Tag.“, erläutert Peter Herold, fügt jedoch sofort hinzu, dass dies nur statistische Durchschnittswerte sind. „An einem belebten Wochenende kann die Anzahl der Einsätze pro Tag sogar deutlich höher liegen.“
Die Disponenten in der Leitstelle leisten für das tägliche Einsatzgeschehen der insgesamt 44 Polizeidienststellen in Mittelfranken einen unverzichtbaren Beitrag. Die Einleitung erforderlicher Sofortmaßnahmen sowie die Koordinierung und Unterstützung von Einsatzkräften sind nur zwei der grundlegenden Tätigkeiten, die von der Einsatzzentrale übernommen werden. Darüber hinaus steuern deren Beamtinnen und Beamte auch Fahndungen, verarbeiten Alarmmeldungen (im Jahr 2020: 5235), bestellen Abschleppunternehmen an Unfallörtlichkeiten (2020: ca. 8000) oder führen in dringenden Vermisstenfällen Ortungen von Mobiltelefonen durch. Bei der Einsatzabwicklung fungiert die Einsatzzentrale außerdem als zentrale Schnittstelle zu anderen Organisationen wie Feuerwehr und Rettungsdienst.
Die Informationsflut im Internet trägt mittlerweile dazu bei, dass auch die einsatzbezogene Recherchetätigkeit in der Einsatzzentrale kontinuierlich ausgeweitet wird. Seit Ende 2020 verfügt die Einsatzzentrale der mittelfränkischen Polizei über einen eigenen Arbeitsplatz zur Nutzung von sogenannter Open Source Intelligence (OSINT). Im polizeilichen Alltag ist das vor allem dann von Bedeutung, wenn die Polizei im Netz auf eine Suizidankündigung stößt. Da sich Menschen in sozialen Netzwerken oftmals unter Pseudonymen oder mit unvollständigem Namen anmelden, führen Ermittlungen in amtlichen Dateien nicht immer zum Erfolg. In derartigen Fällen werden die Recherchen auch auf die im Internet bzw. in den sozialen Netzwerken verfügbaren Erkenntnisse ausgeweitet.
Einer der Disponenten in der mittelfränkischen Einsatzzentrale ist Thomas Ballhorn. Der Polizeihauptmeister arbeitet seit mehr als 13 Jahren im Polizeidienst und war zu Beginn seiner Laufbahn mehrere Jahre im Streifendienst einer Nürnberger Polizeiinspektion eingesetzt. Vor vier Jahren bewarb er sich für den Posten als Einsatzdisponent. Wie er erklärt, war es eine bewusste Entscheidung für die Tätigkeit in der Einsatzzentrale. Die Zeit auf der Straße möchte er jedoch nicht missen. „Die Erfahrungen, die ich dabei gesammelt habe, sind für mich auch in meiner aktuellen Tätigkeit sehr wichtig!“, betont er.
Weil die Beamtinnen und Beamten der Einsatzzentrale an nahezu jedem Polizeieinsatz beteiligt sind, ist das Aufgabenspektrum für die einzelnen Mitarbeiter entsprechend vielfältig. Disponenten müssen unterschiedlichste Einsatzsituationen schnell erfassen können. Da es in diesen Momenten sehr hektisch zugehen kann, hilft ihnen bei der Einschätzung eines Sachverhalts vor allem ein reichhaltiger polizeilicher Erfahrungsschatz. Moderne EDV-Systeme stellen zwar mittlerweile eine deutliche Arbeitserleichterung für die Beschäftigten dar, allerdings gelten das Telefonieren und das zeitgleiche Koordinieren der ersten Maßnahmen nach wie vor als grundlegende Fähigkeiten eines guten Einsatzdisponenten.
Thomas Ballhorn sieht sich selbst in erster Linie als Servicemitarbeiter. Zwar packt er am Einsatzort nicht mehr selbst mit an, leistet aber als Disponent wichtige Unterstützungsarbeit für seine Kolleginnen und Kollegen vor Ort. Beispielsweise übernimmt er bei der Betreuung eines Einsatzes notwendige Verständigungen oder führt im Hintergrund Überprüfungen im Datenbestand der Polizei durch. Hierdurch kann er Erkenntnisse gewinnen, die mitunter enorm wichtig für die Sicherheit der Einsatzkräfte sind.
Ein besonderer Reiz ist für Thomas Ballhorn auch heute noch die Abwechslung, die seine Tätigkeit mitbringt: „Ich habe einen festes Arbeitsumfeld, aber ich weiß nie, was der nächste Anruf mit sich bringt!“ Genau dieser Umstand stellt auch erfahrene Disponenten immer wieder vor Herausforderungen. „Besonders schwierig ist es, wenn Menschen einen Notfall melden und hysterisch werden. Da kann es schon ein Problem sein, wenn man einfach nur wissen möchte, wo sich die Person gerade aufhält.“ Solche Situationen erfordern von den Beamtinnen und Beamten besonderes Einfühlungsvermögen. Angst muss deshalb jedoch niemand haben, wenn er die 110 wählt. Die Einsatzdisponenten wissen, dass die Anrufer in der Regel unter Stress stehen und übernehmen die Gesprächsführung.
Beim Absetzen eines Notrufs sollten sich Anrufer an den 5 „W“ orientieren:
- Wer ruft an?
- Was ist geschehen?
- Wo ist das Ereignis?
- Wie viele Beteiligte bzw. Verletzte gib es?
- Warten auf Rückfragen!
Große Unsicherheit herrscht auch bei der Frage, in welchen Situationen man die Polizei überhaupt über die 110 verständigen darf. In der Praxis ist das eine eher unberechtigte Sorge, denn entgegen der weitverbreiteten Meinung muss es für einen Notruf nicht zwangsläufig um Leben und Tod gehen. Mitunter können auch verdächtige Wahrnehmungen im Zusammenhang mit Einbrüchen oder Telefonbetrügereien Anlass für einen Notruf über die Rufnummer 110 sein.
Polizeidirektor Peter Herold stellt hierzu klar: „Die Polizei möchte in jeder Situation helfen! Lieber rufen uns die Leute einmal zu oft, als einmal zu wenig an!
Quelle und Fotos: Polizei Mittelfranken