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Friedrich Dürrenmatts „Der Besuch der alten Dame“ hatte im Kreuzgang Premiere – mit Bilderstrecke

Feuchtwangen, 7. Juni 2024 – Gestern fand die Premiere „Der Besucher der alten Dame“ statt. Bei tollem Wetter und ausverkauften Rängen zeigten die Kreuzgangspiele einen fulminanten Start der tragischen Komödie von Friedrich Dürrenmatt. Über 20 Darsteller und Darstellerinen stellten sich die Frage:  Was ist Gerechtigkeit? Was ist Moral? Und sind wir alle käuflich?  Fast 70 Jahre ist das Stück alt. Es ist so aktuell wie nie. Für die Kreuzgangspiele hat es Festspiel-Intendant Johannes Kaetzler neu inszeniert. Das Bühnenbild stammt von Werner Brenner, die atmosphärische Musik von Michael Reffi.

Willkommen in Güllen, einer Kleinstadt, die – der Name ist Programm – heruntergekommen und heruntergewirtschaftet ist. Das Städtchen ist hoch verschuldet, eine Insolvenzverwalterin geht im Rathaus ein und aus, es gibt kaum Arbeitsplätze, das Heimatmuseum ist verkauft. Man kann mit Fug und Recht behaupten, diese Stadt ist am Ende. Doch Rettung naht: In Person der Milliardärin Claire Zachanassian (Maike Bollow). Einst in Güllen aufgewachsen, kehrt sie nach vielen Jahren zurück. Die ganze Stadt versammelt sich am Bahnhof, die Zachanassian ist die letzte Hoffnung. Herrlich bemüht zeigen sich die Bürgermeisterin (Heike Clauss), der Schulleiter (Ulrich Westermann), der Maler mit seiner Tochter, der eilig noch eine Willkommensinschrift fertigstellt (Wolfgang Beigel und Viviane Ebert), die Pfarrerin (Kirsten Schneider), die Ärztin (Jaes Gärtner), und sogar der Polizist (Michael Grötzsch). Es darf nichts schiefgehen, wenn die Milliardärin kommt, von der man sich viel erhofft: viel Geld. Alfred Ill (Andreas Wobig), der in der Jugend eine Beziehung mit Claire hatte, damals noch Klara, soll es richten, soll mit der Erinnerung an die Tage zarter Jugendliebe Millionen aus ihr herausholen.

Dann tritt sie auf: Die große Dame im roten Mantel (Kostüme: Marion Schultheiss). Mit einem ihrer Gatten (Joseph Reichelt), dem Butler (Peter Heeg). Umgeben von einer Aura von Macht und Reichtum. Sie bestimmt das Spiel, das ist sofort klar. Wie Planeten umkreisen die Güllener die strahlende Sonne. Es wird komisch bis hin zur Peinlichkeit, wie man sich um sie bemüht, wie man sie instrumentalisieren will. Mitten hinein in die Feierlichkeit des arrangierten Abendessens, in die hoffende Erwartung stößt die Zachanassian ihre Forderung: Sie bietet der Stadt eine Milliarde für den Mord an Alfred Ill. Doch: Ist diese Forderung wirklich so ungeheuerlich? Ist sie wirklich so unmoralisch? Alfred Ill hatte Claire, als sie noch Klara war, geschwängert, die Vaterschaft in einem zweifelhaften Prozess mit bestochenen falschen Zeugen geleugnet und die Schwangere musste entehrt die Stadt verlassen. Das Kind wurde ihr weggenommen, sie war ja eine minderjährige Mutter, das Kind ohne Vater. Sie wurde gezwungen, sich als Prostituierte anzubieten. Dass sie so den milliardenschweren Zachanassian kennen lernte, der sie aus dem Elend holte, sie heiratete und sie in die Lage versetzte, mit enormer Finanzkraft aus der Ferne den wirtschaftlichen Untergang ihrer Heimatstadt zu befördern, ist eine Wendung in ihrer Biografie, die für die kaputte Kommune zur Zerreißprobe wird.

Ist eine Milliarde genug, um eine ganze Gemeinde zum Mord aufzustacheln? Kann man mit Geld Gerechtigkeit kaufen? Kann ein Verbrechen ein anderes ungeschehen machen? Auf der einen Seite steht da das ungeheure Leid, das Claire widerfahren ist, das fast nicht auszuhalten ist, wenn sie davon erzählt. Man spürt, dass unter der Härte, der Eiseskälte eine tiefe Wunde liegt, eine Sehnsucht nach bedingungsloser Liebe, Zuneigung, Geborgenheit, Wärme. Auf der anderen Seite steht der Wunsch nach Vergeltung, nach Rache – grausam und schrecklich. Diese Forderung entblößt nach und nach die Unmenschlichkeit einer ganzen Stadt, die einst ein junges Mädchen vertrieben hat, die nun zum Mord bereit ist, um des Geldes willen. Werden die Bewohnerinnen und Bewohner den Weg bis zum Ende gehen?

Das Tragische und das Komische liegen in diesem Stück so nah beieinander, dass sie in manchen Szenen kaum voneinander zu unterscheiden sind. Dürrenmatt hat damit großes Theater geschaffen. In Feuchtwangen ist es im Kreuzgang bis zum 9. August zu sehen.

Alle Termine und Karten gibt es unter www.kreuzgangspiele.de

Info: Pressemitteilung Kreuzgangspiele Feuchtwangen