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„Die einen sind im Dunkeln und die anderen sind im Licht“ – Statistin in der Produktion „Die Dreigroschenoper“ im Theater Ansbach

Ein Erfahrungsbericht

Ansbach, 15. März 2023 – Lebensverändernde Entscheidungen waren schon immer mein Ding. Neben meinem beruflichen Umstieg, ich arbeite sein Juni für fränkischer.de, habe ich auch das Theaterspielen für mich wiederentdeckt. Nach der großartigen Produktion „Der Ansbacher Jedermann“ der Laiengruppe „Stadtensemble“ des Theaters Ansbach flatterte Ende 2022 eine interessante Anfrage des Intendanten Axel Krauße höchstpersönlich in mein Mailpostfach: „Frau Fiedler, hätten Sie Lust als Statistin bei der Dreigroschenoper mitzuwirken?“ Und so begann das Abenteuer.

Vom Jedermann zum Niemand oder die Moritat von Mackie Messer

Die Statisten: (von hinten nach vorn und von links nach rechts) Alexander Schumann, Uli Gögelein, Chantal Fiedler, Jannis Wachs, Lea Rudi, Jochen Ackermann, Heinz Voerste und Michael Weigl; Foto: Philipp Fiedler

In der einschlägigen Fachliteratur findet sich zur Bedeutung des Wortes Statist Folgendes: „Ein Darsteller, der eine stumme Nebenrolle im Theater oder Film besetzt. Dabei ist Dieser eine unbedeutende, nebensächliche Person.“ Zu meiner Verteidigung, ich habe schon als Kind und Jugendliche in einigen Musical- und Theaterproduktionen mitgewirkt und war nicht ganz unerfahren, aber das Ausmaß dieser Produktion wurde mir nur nach und nach bewusst. Auch, dass die Bedeutung Statist für uns Laienschauspieler nicht zuzutreffen schien.

Was ich eigentlich gemacht habe als Statistin? Ich hatte vier Rollen zu erfüllen. Als Bettler, Gangster, Polizist und Prostituierte war ich auf der Bühne zu sehen. Zusätzlich durften ich mit meiner Stimmen die Ensemble-Gesangsstücken unterstützen. „Und der Haifisch der hat Zähne und die trägt er im Gesicht.“ hat sich für immer in mein Gedächtnis eingeprägt. Von uns Statisten wurde deutlich mehr als nur füllendes Material auf der Bühne erwartet. Sprechrollen und Solistenstellen sowie einige große Szenen hatten uns dann doch kalt erwischt, aber wir haben uns durchgebissen und unser Bestes gegeben.

Das die Produktion sehr umfangreich sein würde, zeichnete sich sicherlich noch nicht am „Kennenlernabend“ für alle potenziellen Statisten ab. – Ja, so ein klassischer Abend mit Vorstellungsrunde. – Schnell merkten wir, welch richtig bunter Haufen wir waren. Studenten, ein Hausmeister, ein städtischer Mitarbeiter, ein Schüler, ein Auszubildender, eine Journalistin und ein Pfarrer in Rente. Schon allein das ist doch ein Stück wert, oder was meint ihr? Es hat aber leider noch nicht für eine Inszenierung gereicht, also fahren wir mit der Dreigroschenoper fort.

Unsere Statistengruppe, Einer mit mehr, Einer mit weniger Erfahrung, startete mit acht unerschrockenen Personen in die Probenphase. Und was soll ich sagen, wir haben alle bis zum Ende durchgehalten. Viele Stunden Proben und hunderte verzweifelte Seufzer später waren wir mehr oder weniger startklar für die Bretter, die die Welt bedeuten. Einige Last-Minute-Änderungen der Regie haben uns bis zur Premiere doch stärker zugesetzt, als man es letztendlich gemerkt hat. Die Professionalität und Ruhe unserer Profikollegen hat wohl auf uns abgefärbt. Schlaflose Stunden in der Hauptprobenphase waren trotzdem an der Nacht- bzw. Tagesordnung, zumindest für mich.

 

„Anstatt dass Sie zu Hause bleiben im warmen Bett, brauchen Sie Spaß.“

Ein Team: Statisten und Profis. Foto: Lea Rudi

Und nun war er da, der Tag der Tage: Unsere Premiere am 11. Februar 2023. Darauf haben wir zwei Monate hingearbeitet. Wir, die Profis, die Musiker im Hintergrund, die Kostüm- und Bühnenbildner, die Technik und die Regie. Und die Rechnung ist aufgegangen. Keine großen Patzer, kein offensichtlich schiefer Ton, ein volles Haus, Standing Ovations und viel positives Feedback.

Geschafft, doch die eigentliche Arbeit ging erst dann richtig los. Vier Wochen, drei Vorstellungen pro Woche, verlangten von uns Statisten Einiges ab. Das Privatleben stellten wir hinten an und das nächste berufliche und schulische bzw. studentische Großprojekt musste warten. Ich lebte vier Wochen im „Paralleluniversum Theater“ und es hatte mich gefangen genommen. Die Mischung aus Müdigkeit und Adrenalin ist gefährlich und lässt einen süchtig werden.

In der der ersten Spielwoche hatte ich dann ungeplant meinen „großen“ Auftritt. Bei einem Stunt auf der Bühne hat sich mein Profikollege während der Vorstellung verletzt. Seinen Umbau zur letzten und entscheidenden Szene konnte er hier natürlich nicht mehr wahrnehmen. In solchen Situationen spontan reagieren ist meine Spezialität und so übernahm ich dessen Aufgabe, ohne mit der Wimper zu zucken. Ich habe diese Szene bis zur letzten Vorstellung weitergespielt, also alles richtig gemacht.  Der verletzte Kollege musste alle weiteren Vorstellungen auf Krücken spielen. Was eine eigene Situationskomik entwickelte.

 

„Die junge Königin sollte auf Rosen gebettet sein und nicht auf Gesichtsrosen.“

Auch sieben Musiker unter der Leitung von Ulrike Koch waren Teil der Produktion. Foto: Ulrike Koch

Jetzt im Rückblick muss ich sagen. Alle Probleme im Vorfeld haben sich trotzdem gelohnt. Für die Zahlennerds unter euch: 13 Vorstellungen in 5 Wochen haben wir gespielt. 78 Stunden habe ich während der Aufführungsphase im Theater verbracht, 39 Stunden davon vor Publikum. An 17 Probentagen mit ca. 50 Stunden haben sich die Statisten auf das Stück vorbereitet. In 8 Szenen waren wir Laienschauspieler beteiligt, das macht 16 Auf- und Abgänge zur Bühne. Ich persönlich musste mich 7 Mal für die wechselnden Rollen umziehen. Circa eine Stunde habe ich vor jeder Aufführung für meine Bühnen-Kriegsbemalung, die wir uns jedes Mal selbst aufzeichnen musste, gebraucht. Für einen Menschen mit Sozialleben und Beruf bzw. Schule und Studium sind diese Zahlen in so geringer Zeit doch sehr erschreckend. Kurz gesagt: ich habe in dieser Zeit für das Theater gelebt. Gut, dass ich seit meiner Kindheit eine Leidenschaft für die Bühne, einen verständnisvollen Ehemann und Familie, tolle Freunde und eine ebenso theaterbegeisterte Chefin habe.

Die Mühe hat sich gelohnt. Der Erfolg gab uns allen Recht, denn das Stück schlug ein wie eine Bombe. „Neben den Weihnachtsstücken war diese Produktion der bisher größte Erfolg des Theaters“, betont Axel Krauße. Die Erwartungen wurden übertroffen und rund 3200 Besucher lockte die Inszenierung ins Theater Ansbach. Knapp drei Stunden Sitzfleisch musste man haben, aber das nahmen viele Theaterbegeisterte sogar mehrmals in Kauf. Ansbach hatte das Dreigroschenoper-Fieber befallen. Den absoluten Höhepunkt bildete die letzte Aufführung a, 11. März 2023. Im nahezu ausverkauften Saal spielten wir „Die Dreigroschenoper“ zum vorerst letzten Mal. Eine Wiederaufnahme ist im Gespräch.

 

„Und so kommt zum guten Ende alles unter einen Hut. Ist das nötige Geld vorhanden, wird am Ende alles gut “.

Theater-Make-Up kann ich jetzt! Over and Out!

Es bleibt mir zum Abschluss noch Danke zu sagen, an alle Profischauspieler, die uns Laien mit offenen Armen empfangen haben. Viele sind zu Freunden geworden, die ich in meinem Alltag schmerzlich vermissen werde. Danke für euer offenes Ohr, wenn wir Statisten zum wiederholten Mal nachfragen mussten und danke für eure aufmunternden Worte, wenn wir einen schlechten Tag hatten. Danke an die Statisten, die mir eine zweite kleine verrückte Familie geworden ist. Und danke an die Profimusiker, die uns immer mit ihren Improvisationen des Anfangsstückes beim Soundcheck zum Tanzen gebracht haben. Ich bin stolz, Teil dieses Projekt gewesen zu sein!

Was ich gelernt habe? Wie eine Gruppe zusammenwachsen kann. Wie man mit jeder Stunde auf der Bühne besser wird. Wie man das Lampenfieber komplett in den Griff bekommt. Wie schweißtreibend anstrengend der Beruf als Schauspieler sein kann. Wie man mit wenig Budget, aber mit einer Vision und kreativen Menschen, die zusammenhalten, ein so großes Stück stemmen kann. Wie man mit spontanen Situationen auf und hinter der Bühne umgeht und ganz praktisch: Ich bin jetzt Profi im Lidstrichziehen, Wimpernkleben und Konturieren.