Schreiben von Oberbürgermeister Thomas Deffner gemeinsam mit den mittelfränkischen Oberbürgermeistern der kreisfreien Städte und Landräte vom 17.06.2020
Sehr geehrte Frau Staatsministerin Trautner,
im Namen der mittelfränkischen kreisfreien Städte und Landkreise wende ich mich an Sie mit einem Anliegen zur Belebung der Innenstädte.
Der bayerische Einzelhandel ist durch die mehrwöchigen Schließungen, die in diesem Frühjahr zur Eindämmung der Corona-Pandemie erfolgten, in erhebliche Nöte geraten. Die Auswirkungen beobachten wir in unseren Kommunen mit großer Sorge. Konkret beobachten wir Frequenzrückgänge von bis zu 70 Prozent in den Innenstädten und Einkaufszentren sowie Umsatzverluste in den innenstadtprägenden Sortimenten. Einzelhändler berichten uns, dass die Kunden nach Wegfall der Ausgangsbeschränkungen wieder in die Innenstädte kämen, aufgrund der Beeinträchtigung des Einkaufserlebnisses durch die Mund-Nase-Bedeckung jedoch deutlich weniger gekauft werde. So erwarten Branchenexperten für den modeorientierten Bekleidungshandel bis Ende 2020 Umsatzrückgänge von 25 bis 30 Prozent (Quelle: BBE/ IPH: Quo vadis Einzelhan-del im Corona-Zeitalter, Mai 2020). Diese innenstadtprägenden Sortimente kämpfen ohnehin schon länger mit den Folgen des Strukturwandels und der Digitalisierung und könnten durch die Auswirkungen der Corona-Pandemie existenzgefährdend geschwächt werden.
Aus Sicht des Einzelhandels würde es für eine gewisse Abhilfe sorgen, wenn eine begrenzte Anzahl verkaufsoffener Sonntage stattfinden könnte. Hiervon verspricht sich die örtliche Wirtschaft einen –wenn auch leider nur teilweisen –Ausgleich erlittener Umsatzeinbußen. Die momentane Rechtslage lässt die Durchführung verkaufsoffener Sonntage während der nächsten Monate allerdings nicht zu.
Verkaufsoffene Sonntage sind, wie Ihnen ja bekannt ist, nach geltender Rechtslage nur zulässig, wenn die Ausnahmen vom Ladenschlussgesetz im öffentlichen Interesse dringend nötig werden. Das öffentliche Interesse ist in Abgrenzung zum bloßen Privat-/Individual- oder wirtschaftlichen Interesse auf Fälle eines außergewöhnlichen Bedürfnisses –insbesondere eines Versorgungsbedürfnisses der Bevölkerung –beschränkt. Es ist beispielsweise anzunehmen, wenn die Versorgung einer größeren Menschenmenge mit Nahrungsmitteln in Notstandsfällen oder bei überregionalen Großveranstaltungen mit außergewöhnlichem Besucheraufkommen abweichende Öffnungszeiten notwendig macht. Verkaufsoffene Sonntage dürfen somit nur in Verbindung mit Veranstaltungen stattfinden, die ihrerseits einen eigenständigen kulturellen, sportlichen, religiösen oder anderweitig konsumunabhängigen Charakter und eine überregionale Ausprägung haben. Das vorliegend nachvollziehbar vorhandene wirtschaftliche Bedürfnis des Einzelhandels reicht explizit nicht aus. Großveranstaltungen fallen während der nächsten Zeit als Anker für verkaufsoffene Sonntage weg. Die örtlichen Behörden haben im Ergebnis rechtlich keinerlei Handhabe, Ausnahmen zuzulassen.
Wir unterstützen das Anliegen des Handels, die Öffnung an einigen Sonntagen anlassunabhängig unter strenger Einhaltung der zum Zeitpunkt des verkaufsoffenen Sonntags gültigen Infektionsschutzbestimmungen zu ermöglichen. Die Staatsregierung hat in der letzten Zeit erhebliche Flexibilität bewiesen, um pandemiebezogenen Gefahren und Härten angemessen zu begegnen und sie so gut als möglich und in vertretbarer Weise abzumildern. Wir erwarten auch in den Belegschaften eine Unterstützung von verkaufsoffenen Sonntagen, wenn sie zur Sicherung der Arbeitsplätze und Wiederbelebung der Innenstädte bei-tragen. Der Einzelhandel braucht jetzt die Hilfe der Politik! Die mittelfränkischen Oberbürgermeister und Landräte vertreten die Ansicht, dass es ein richtiges und wichtiges Zeichen, den örtlichen Behörden zu ermöglichen, eine begrenzte Anzahl an anlassunabhängigen verkaufsoffenen Sonntagen in bisherigem Um-fang zu erlauben. Mit einer solchen Ausnahmemöglichkeit würde die Rechtslage als solche bestehen bleiben. Für den Handel würde dies zugleich eine wertvolle Unterstützung bedeuten.
Gleichlautendes Schreiben erhält auch Herr Ministerpräsident Söder.
In der Hoffnung auf eine positive Rückmeldung verbleiben wir mit freundlichen Grüßen
- Thomas Deffner, Oberbürgermeister Stadt Ansbach
- Marcus König, Oberbürgermeister Stadt Nürnberg
- Dr. Thomas Jung, Oberbürgermeister Stadt Fürth
- Dr. Florian Janik, Oberbürgermeister Stadt Erlangen
- Peter Reiß, Oberbürgermeister Stadt Schwabach
- Dr. Jürgen Ludwig, Landrat Landkreis Ansbach
- Helmut Weiß, Landrat Landratsamt Neustadt a.d. Aisch – Bad Windsheim
- Armin Kroder, Landrat Landratsamt Nürnberger Land
- Herbert Eckstein, Landrat Landratsamt Roth
- Alexander Tritthart, Landrat Landratsamt Erlangen-Höchstadt
- Manuel Westphal, Landrat Landratsamt Weißenburg–Gunzenhausen
- Matthias Dießl, Landrat Landratsamt Fürth