Sind bAV-Altverträge zu retten?
Teil 1 der neuen Serie: Entgegen aller Vorbehalte können alte Verträge einvernehmlich aufgelöst werden – Gerichte regeln oft im Nachhinein die Gesetzeslage. Eine betriebliche Altersversorgung (bAV) ist ein komplexes Werk, auf die ein Mitarbeiter grundsätzlich Anspruch hat. Gerade wenn ein Unternehmen hier nichts selbst geregelt hat, sondern sich auf die unterschiedlichen Verträge der Angestellten verlässt, kann ein unnötiges Haftungsrisiko entstehen – mit finanziellen Folgen. In einer Roadshow des Netzwerks Fachkräfte zu diesem Thema hat sich herausgestellt, dass sehr viele Unternehmen die Tragweite des Themas komplett unterschätzen und damit vielfach unnötige Angriffsfläche bieten. In einer neuen Serie mit dem bAV-Experten des Netzwerks Fachkräfte, Anton Wittmann, klären wir über einzelne Sachverhalte auf. Heute: Kann man aus problematischen Altverträgen aussteigen?
Die bAV ist in vielen Unternehmen in den letzten Jahren gewachsen. Einzelne Mitarbeiter haben Verträge von ihren privaten Versicherungsvertretern mitgebracht, zum Teil sind neue Mitarbeiter bereits mit einem bAV-Vertrag ihres alten Arbeitgebers hinzugekommen. Das Ergebnis ist ein unübersichtliches Sammelsurium an unterschiedlichen Verträgen. Problematisch ist immer deren Inhalt. Es gab bisher rund 100 Versicherungsunternehmen, die eine Finanzierung der bAV angeboten haben; entsprechend viele Varianten gibt es – von gut bis schlecht. Dabei ist die Versicherung nach wie vor nur die Finanzierung der bAV, die Zusage gibt der Arbeitgeber. „In 95 Prozent der mir bekannten Fälle fehlt hier ein entsprechender Arbeitsvertrag, in dem die bAV geregelt wird“, ist Netzwerk Fachkräfte-Experte Anton Wittmann immer wieder erstaunt. Die Folge: Das Haftungsrisiko für das Unternehmen kann nicht optimal minimiert werden. Daraus können nicht unerhebliche Nachteile entstehen, etwa bei einer schlechten Verzinsung oder wenn die Versicherung aufgrund der wirtschaftlichen Lage weniger zahlt als ursprünglich angenommen. In diesem Fall muss der Arbeitgeber die Differenz aus eigener Tasche zahlen. Erschwerend kommt hinzu, dass durch viele Urteile in den letzten vier Jahren Auflagen für Arbeitgeber entstanden sind, die schnell in eine Haftungsfalle führen können. Was das Gesetz zuvor im Unklaren gelassen hatte, wurde im Nachhinein per Urteil geregelt. Allerdings werden in den meisten Firmen die Arbeitsverträge nicht entsprechend diesen Veränderungen angepasst.
Viele Verträge sind immer noch – trotz der zahlreichen Urteile – vom Produktverkauf getrieben. So verwendet eine große deutsche Bank noch immer Unterlagen, die bei der Unterschrift bereits gegen geltendes Gesetz verstoßen, weil eine Klausel enthalten ist, die seit 2016 nicht mehr zulässig ist. „Damit ist jede Anspruchsbegrenzung gegen den Arbeitgeber auszuhebeln“, ist Wittmann entsetzt. „Dadurch ist nur eines sicher: der Arbeitgeber muss in jedem Fall draufzahlen.“
Altverträge beurteilen
Gibt es so ein Sammelsurium an Verträgen, sollte ein Unternehmen eine eigene systematische Vorgehensweise sowie eine eigene bAV einführen und die Mitarbeiter dazu bewegen, die neuen Verträge zu unterschreiben. „Es ist ein Märchen, dass man Altverträge nicht auflösen kann. Man kann sich mit den Mitarbeitern in der Regel einvernehmlich einigen, wenn die neuen Konditionen auch für ihn besser sind“, erklärt Wittmann. „Wären die Mitarbeiter richtig beraten, würden sie oft ihre alten Verträge gar nicht wollen.“
Handlungsempfehlungen des Experten
- Alle bestehende Verträge der Mitarbeiter durchsehen und nach Haftungsrisiko beurteilen
- Eigenes Versorgungswerk mit bAV implementieren, die das eigene Haftungsrisiko reduzieren
- Problematische Altverträge durch neue Angebote ersetzen, vor allem ehemalige mündliche Vereinbarungen in Zukunft schriftlich fixieren
- Alle Arbeitsverträge anpassen
- Regelmäßige Vorgehensweise, die der Gesetzgeber auch vorschreibt, das heißt: Alle Mitarbeiter rund einmal pro Jahr informieren, bei aktuellen Änderungen entsprechend öfter
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Quelle: Business Lounge Magazin