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Das Amtsgericht Ansbach – Jahresgespräch für 2022

Ansbach, 10. Mai 2023 – Das Amtsgericht Ansbach lud Vertreter der Presse zum Jahresgespräch für das Jahr 2022 ein. Direktorin des Amtsgerichts Dr. Gudrun Lehnberger informierte über Aktuelles mit Zahlen und Daten und gab einen Ausblick.

Aktuelles

  • Bürgerservice: Im Erdgeschoss wurde im Jahr 2017 als erste Anlaufstelle für auskunftssuchende Besucher ein Bürgerservice errichtet. Der Bürgerservice wird gut von den Besuchern angenommen. Er ist Anlaufstelle für Bürger, die keinen Termin bei Gericht haben (Besucher mit Terminen werden direkt in die Abteilungen geschickt), nimmt Unterlagen entgegen, erteilt allgemeine Auskünfte zu den Verfahren, unterstützt beim Ausfüllen gerichtlicher Formulare und ist Rechtsantragstelle in Familiensachen (z. B. für einen Antrag nach dem Gewaltschutzgesetz).
  • Zeugenbetreuerinnen: Zwei Mitarbeiterinnen des Amtsgerichts unterstützen Zeugen vor und während der Verhandlung. Zeugen, die das erste Mal vor Gericht geladen sind, haben oft viele Fragen, was auf sie zukommt, wo sie hinmüssen, wie die Verhandlung abläuft. Dazu kommt manchmal auch die Angst vor der Begegnung mit dem Täter. Die Zeugenbetreuerinnen erklären den Zeugen auf deren Wunsch telefonisch oder vor Ort das Verfahren, zeigen ihnen den Sitzungssaal, passen im Notfall auch auf mitgebrachte Kinder während der Vernehmung auf oder begleiten sie in die Verhandlung. In vielen Fällen können sie den Zeugen die Angst vor der Verhandlung nehmen.
  • Informationstag am Amtsgericht Ansbach am 13. März 2023: Die Veranstaltung war ein großer Erfolg. Über 100 interessierte Besucher haben sich bei den Ansbacher Justizbehörden über die Ausbildungs-, Studien- und Berufsmöglichkeiten bei der bayerischen Justiz als familienfreundlicher und krisensicherer Arbeitgeber informiert.

  • Verhinderung von Fluchtfällen vorgeführter Gefangener: Nach der Flucht eines angeklagten Sexualstraftäters aus dem Coburger Landgericht und eines verurteilten Mörders aus dem Regensburger Justizgebäude im Frühjahr 2023 hat das Bayerische Justizministerium einen Sicherheitscheck für alle Gerichte angeordnet. Taskforces – bestehend aus Sicherheitsexperten aus Justiz und Polizei – besuchten im März 2023 alle bayerischen Gerichte, u.a. am 28. März 2023 das Amtsgericht Ansbach, und prüften die baulichen Gegebenheiten und organisatorischen Abläufe unter Sicherheitsaspekten in Bezug auf die Prävention gegen mögliche Fluchtereignisse. Die Sicherheitsvorkehrungen in den Gerichten sind hoch.

 

Entwicklung der Verfahrens- bzw. Eingangszahlen im Vergleich zum Vorjahr 

Die Eingangszahlen in Zivilsachen sind seit 2018 um rund 21 % zurückgegangen. 2022 gingen 1334 Verfahren beim Amtsgericht ein und damit 24 Verfahren mehr als 2021. Das Amtsgericht ist in bürgerlichen Streitigkeiten zuständig bei einem Streitwert bis  einschließlich 5.000 Euro, in Mietsachen über Wohnraum unabhängig vom Streitwert. Bei den Erledigungen handelte es sich 2022 überwiegend um Verkehrsunfallsachen (368), gefolgt von Mietsachen (251) und Kaufsachen (211). Der durchschnittliche Streitwert belief sich auf 2118 Euro und die durchschnittliche Verfahrensdauer auf 4,6 Monate. Die fünf Richter haben 512 Verhandlungstermine durchgeführt (2021:528), 380 streitige Urteile gefällt und 233 Versäumnis- sowie 35 Anerkenntnisurteile erlassen. In 233 Fällen haben die Parteien einen gerichtlichen Vergleich geschlossen und in 150 Fällen die Klage zurückgenommen.

Die Anzahl der Eingänge in Familiensachen ist seit 2020 leicht zurückgegangen. Die Scheidungsrate ist 2022 erneut leicht gesunken. 2021 wurden durch das Amtsgericht Ansbach noch 407 Ehen geschieden. 2022 waren es 405. Bei den 1035 erledigten Familiensachen hatten die 5 Familienrichter 2022 neben den Scheidungen zu entscheiden über den Versorgungsausgleich im Rahmen der Scheidung (395 Fälle), das Sorgerecht über Kinder (260 Fälle), das Recht eines Elternteils zum Umgang mit dem Kind (108 Fälle), Unterhalt für Kinder (58 Fälle), aber auch über Adoptionen (42 Fälle), die Abstammung eines Kindes (22 Fälle), Kindesherausgabe nach Entzug des Sorgerechts wegen Gefährdung des Kindeswohls (3 Fälle) und Maßnahmen zum Schutz vor Gewalt und Nachstellung nach dem Gewaltschutzgesetz (72 Fälle). 2019 wurde die Kinder- und Jugendpsychiatrie im BKH Ansbach eröffnet. Für das Familiengericht sind dadurch weitere Aufgaben entstanden (Genehmigungen von Unterbringungen und Fixierungen, Anhörungen). Insgesamt wurden 2022 37 Kinder/Jugendliche untergebracht und in 49 Fällen fixiert.

In der Mobiliarvollstreckung sind die Pfändungs- und Überweisungsbeschlüsse im Vergleich zu 2021 rückläufig. Der Rückgang lässt sich vor allem dadurch erklären, dass es fast bis Ende 2022 technische Probleme mit dem elektronischen Einreichen der Anträge gab. Ein Grund für den Rückgang der Haftbefehle und Durchsuchungsbeschlüsse liegt auch darin, dass Gläubiger über die Gerichtsvollzieher Auskünfte bei anderen Stellen erlangen können, etwa durch Anfrage nach dem aktuellen Arbeitgeber des Schuldners bei der Deutschen Rentenversicherung und über das Bundeszentralamt für Steuern nach Kontoverbindungen des Schuldners.

Die Eingangszahlen für Handelsregister A und B sind in den letzten Jahren relativ konstant geblieben. Bei den Vereinen war wegen der Corona Pandemie in den Jahren 2020 und 2021 ein deutlicher Rückgang zu verzeichnen, der dann dafür durch höhere Eingangszahlen im Jahr 2022 wieder ausgeglichen wurde, nachdem wieder Vereinssitzungen abgehalten werden konnten.

 

Strafabteilung

Der Strafrichter ist bei Vergehen allein zuständig, wenn eine Geldstrafe oder Freiheitsstrafe nicht über 2 Jahre zu erwarten ist. Das Schöffengericht – bestehend aus einem Richter als Vorsitzendem und zwei Schöffen – ist zuständig bei Verbrechen oder wenn eine Freiheitsstrafe zwischen zwei und vier Jahren zu erwarten ist. Der Jugendrichter entscheidet über Strafsachen von Jugendlichen (zur Tatzeit 14-17 Jahre) und Heranwachsenden (zur Tatzeit 18-21 Jahre).

Bei Gericht spiegelt sich die allgemeine Kriminalitätsstatistik wider. Nicht zu Gericht gelangen allerdings die Verfahren, die schon bei der Staatsanwaltschaft eingestellt worden sind, etwa mangels Tatnachweises, geringer Schuld oder unbekannten Aufenthaltes des/der Beschuldigten. Die 6 Strafrichter des Amtsgerichts erledigten 2022 insgesamt 966 Strafsachen (ohne Strafbefehle; 2021 waren es 1032). Davon entfielen 48 Verfahren auf das Schöffengericht (2021: 69). Die Jugendrichter entschieden in 200 Fällen (2021: 214). Dabei betrafen 25,9 % der Fälle Verkehrsdelikte, 10,8 % Diebstahl und Unterschlagung, 13,4 % Körperverletzungen, 6,1 % Betrug und Untreue, 11,7 % Betäubungsmitteldelikte. Nur 0,4 % entfielen auf Verstöße gegen das Aufenthalts- und Asylverfahrensgesetz. Die Richter fällten 416 Urteile, von denen 81,5 % ohne Rechtsmittel blieben. 12,4 % der Verfahren wurden wegen geringer Schuld eingestellt. Die Mehrzahl der Verfahren wurde im schriftlichen Verfahren ohne Hauptverhandlung durch 1182 Strafbefehle erledigt.  In 559 Fällen hat die Staatsanwaltschaft Anklage erhoben. 63,7 % aller Verfahren konnten mit einer Verfahrensdauer von maximal 3 Monaten abgeschlossen werden; weitere 27 % innerhalb von 6 Monaten. Insgesamt wurden 1051 Personen angeklagt, 426 Personen verurteilt und 22 freigesprochen. 497 Verurteilte standen unter einer laufenden Bewährung. Der Strafrichter hat während der Bewährungszeit die Einhaltung der Bewährungsauflagen, beispielsweise die Erfüllung von Geld- oder Arbeitsauflagen, zu überwachen. Nur in einem Teil der Fälle wird dem Verurteilten ein Bewährungshelfer zur Seite gestellt. Aufsehen hatte die Verhandlung gegen einen Landwirt erregt, der 160 Rinder hatte verenden lassen. Er wurde mit Urteil vom 13. April 2022, rechtskräftig seit 21. April 2022, zu einer Freiheitsstrafe von 1 Jahr und 6 Monaten mit Bewährung und einem lebenslangen Tierhaltungsverbot verurteilt wegen quälerischer Misshandlung von Wirbeltieren durch Unterlassen in 217 tateinheitlichen Fällen, wobei davon 160 Fälle tateinheitlich mit Tötung von Wirbeltieren ohne vernünftigen Grund durch Unterlassen einhergingen.

Ordnungswidrigkeiten

Die Eingänge betrafen weiterhin meist Abstands- und Geschwindigkeitsverstöße im Straßenverkehr. Der Rückgang der Eingänge ist möglicherweise darauf zurückzuführen, dass vor allem in der zweiten Jahreshälfte 2022 faktisch keine Eingänge bzgl. Verstößen gegen den notwendigen Sicherheitsabstand („Abstands-OWi“) zu verzeichnen waren. Dies dürfte vor allem daran liegen, dass die Polizei auf ein neues Messsystem umgestiegen ist, infolgedessen technische Umstellungen notwendig wurden, aber auch Schulungen der Messbeamten. Der größte Teil der 2022 erledigten Ordnungswidrigkeitenverfahren betraf Verkehrsordnungswidrigkeiten (582), größtenteils Abstands- und Geschwindigkeitsverstöße. Im Jahr 2022 sind 166 Nicht-Verkehrs-OWis eingegangen. Davon betrafen ca. 40 % Verstöße gegen das BayEUG (Bay. Gesetz über das Erziehungs- und Unterrichtswesen) und 35 % Verstöße gegen das IfSG (Infektionsschutzgesetz); der Rest sind Verstöße gegen die BayBO (Bayerische Bauordnung), Lärmvorschriften oder Personentransportgesetz oder ein paar Sonstige. Zu den BayEUG-Ordnungswidrigkeiten: In der Regel ging es um Verweigerung der Testung und /oder Fernbleiben vom Unterricht, nachdem die Schule die Befreiung des Kindes von der Schulpflicht abgelehnt hatte. Die Regelbuße gegen die Eltern betrug zwischen 250 Euro und 500 Euro. Zu Corona-Ordnungswidrigkeiten: Die Verstöße reichten von Nichtmasketragen bis zur Versammlung mit mehr als zwei Haushalten und Versammlung unter freiem Himmel ohne Abstand. Ein Fünftel der Betroffenen hatte den Einspruch auf die Rechtsfolgen beschränkt. Die Sanktionen bewegten sich zwischen 180 Euro bis 500 Euro. Die Verstöße wegen IfSG wurden in geschlossenen Räumen allesamt mit einer Ahndung abgeschlossen, im öffentlichen Raum (Zigarettenholen) auch eingestellt. Jugendliche wurden ermahnt oder Verfahren nach § 47 OWiG eingestellt. 19,7 % der Bußgeldverfahren hat das Gericht wegen Geringfügigkeit eingestellt. In 45,8 % der Verfahren nahmen die Betroffenen ihren Einspruch zurück und akzeptierten den Bußgeldbescheid. In 127 Fällen kam es zu einer Verurteilung der Betroffenen. Die durchschnittliche Verfahrensdauer betrug 3,2 Monate.

Nachlassabteilung

Die Zahl der Nachlasssachen ist angestiegen. Das Amtsgericht Ansbach – Nachlassgericht – ist zuständig, wenn der Erblasser seinen letzten Wohnsitz im Bezirk hatte. Zu den Aufgaben des Nachlassgerichtes gehören:

  • die Ermittlung und Feststellung der Erben, wenn ein die Beerdigungskosten übersteigender Nachlass vorhanden ist;
  • die Erteilung von Erbscheinen, falls dies beantragt wird (immer erforderlich bei Grundbesitz);
  • Sicherungsmaßnahmen (z. B. Anordnung einer Nachlasspflegschaft zur Nachlasssicherung);
  • die Beurkundung und Entgegennahme von Ausschlagungserklärungen;
  • die Verwahrung von letztwilligen Verfügungen (Testamente und Erbverträge).

Nicht zuständig ist das Nachlassgericht für die Berechnung und Durchsetzung von Pflichtteilsansprüchen, die Erbauseinandersetzung und Verteilung des Nachlasses, Berechnung der Erbschaftssteuer oder Beratung über die Gestaltung von Testamenten. Im Jahr 2022 gab es in Stadt und Landkreis Ansbach ca. 3.365 Sterbefälle. In 2747 dieser Sterbefälle wurde ein Nachlassverfahren durchgeführt. 2,6 % mehr als im Vorjahr. Ein Nachlassverfahren wird immer dann durchgeführt, wenn

  • ein die Beerdigungskosten übersteigendes Nachlassvermögen vorhanden ist,
  • Grundbesitz vorhanden ist,
  • eine Verfügung von Todes wegen (Erbvertrag oder Testament) vorhanden ist oder
  • von den Erben ein Erbschein benötigt wird.

Testamente können zu Hause oder sicher beim Amtsgericht in einem Tresor verwahrt werden. Wir haben derzeit 16.005 Testamente in amtlicher Verwahrung, wobei letztes Jahr 1.054 abgeliefert wurden. Anzumerken ist, dass die Zahl der amtlichen Verwahrungen in den letzten 5 Jahren um ca. 30 % gestiegen ist, was sicher auch auf die Vielzahl von Informationsveranstaltungen zum Erbrecht zurückzuführen ist. Die Hinterlegung eines Testamentes kostet pauschal 75 Euro. Dieses wird dann im Zentralen Testamentsregister (ZTR) bei der Bundesnotarkammer in Berlin registriert. Hierfür fällt nochmals eine Gebühr in Höhe von 18 Euro an. Durch diese Registrierung wird gewährleistet, dass das Testament im Todesfall Berücksichtigung findet. Alle Sterbefälle werden durch die Standesämter an die Bundesnotarkammer gemeldet. Diese überprüft, ob ein Testament für den Verstorbenen registriert ist und gibt die Informationen dann an das zuständige Nachlassgericht und an das Verwahrgericht weiter.

Betreuungsabteilung

Ca. 2,5 % der erwachsenen Bevölkerung im Amtsgerichtsbezirk haben einen Betreuer. Dies sind vor allem geistig Behinderte, geschäftsunfähig gewordene Senioren und psychisch kranke Menschen. Während bei den psychisch Kranken die Betreuung oftmals wieder aufgehoben werden kann, endet die Betreuung bei den anderen Gruppen mit dem Tod. Der Betreuer ist für die Betreuten Hilfe und Unterstützung bei allen juristisch relevanten Angelegenheiten. Er entscheidet auch bei Unterbringungen, Zwangsbehandlungen und wird vom Gericht überwacht. Die Anzahl der Betreuungen ist konstant, obwohl die Anzahl der älteren und betreuungsbedürftigen Menschen steigt. Dies dürfte daran liegen, dass immer mehr Menschen die Alternative zur Betreuung bevorzugen und bei Zeiten eine Vorsorgevollmacht für eine bestimmte Person ausstellen. Dadurch kann das gesetzliche Betreuungsverfahren vermieden werden. Der Vollmachtgeber kann mit der Vollmacht seine Zukunft mitgestalten und Dinge regeln, die dann im Falle seiner Geschäftsunfähigkeit von dem Bevollmächtigten zu beachten bzw. auszuführen sind. Ein Muster der Vorsorgevollmacht kann auf den Internetseiten des Bayerischen Staatsministeriums der Justiz und des Bundesjustizministeriums heruntergeladen werden. Der Betreute muss den Betreuer selbst bezahlen, wenn sein Vermögen das sog. Schonvermögen übersteigt. Schonvermögen waren bis 31. Dezember 2022 5.000 Euro (ohne das selbstbewohnte Eigenheim), ab 1. Januar 2023 sind es 10.000 Euro (ohne das selbstbewohnte Eigenheim und ohne ein angemessenes Kfz). Für mittellose Betreute (oft ist deren Vermögen durch eine Heimunterbringung aufgezehrt) zahlt die Staatskasse den Betreuer. Die Kosten für die Betreuervergütungen sind im letzten Jahr leicht gestiegen.

Insolvenzgericht

Dem bundesweiten Trend folgend, ist die Zahl der Insolvenzverfahren des Amtsgerichts Ansbach im Bereich der Firmeninsolvenzen leicht angestiegen. Der nach dem Auslaufen der Coronahilfen der Bundesregierung erwartete sprunghafte Anstieg ist jedoch ausgeblieben. Aufgrund der stark gestiegenen Produktionskosten und der allgemeinen wirtschaftlichen Lage ist mit einem weiteren Anstieg in den nächsten Monaten/Jahren durchaus zu rechnen. Die Zahl der Verbraucherinsolvenzen hat sich auf gleichbleibendem Niveau eingependelt. Die deutliche Verkürzung der Wohlverhaltensphase von 6 Jahren auf 3 Jahre ist zwar inzwischen vielen bekannt, allerdings hat sich die Kapazität der vorzuschaltenden Beratungsstellen nicht wesentlich verändert. Da dort die Wartezeiten weiterhin lange sind, entwickeln sich die Verfahrenszahlen nur kongruent. Aufgrund der weiterhin steigenden Lebenshaltungskosten darf auch hier von einem (verzögerten) Anstiegausgegangen werden.

In der Immobiliarvolstreckung gibt es kaum Änderungen zum Vorjahr. Zwangsversteigerung ist ein langwiedriges Geschäft: Die Verfahrensdauer von der Anordnung bis zum ersten Versteigerungstermin beträgt gut ein Jahr und der Immobilienmarkt ändert sich ebenfalls nur sehr langsam. Die Situation ist also nicht sehr anders als im Vorjahr: In Zwangsversteigerungsverfahren finden auch weiterhin nahezu alle Objekte im ersten Versteigerungstermin einen Ersteher. Die Quote liegt bei 99 %. Diese Objekte erzielen noch immer hohe Preise – bei guter Lage meist über dem Verkehrswert -, da angesichts der weiterhin niedrigen Zinsen für Spareinlagen der Trend zu Immobilien als sicherer Vermögensanlage anhält. Dabei halten sich Vollstreckungsversteigerungen (aufgrund von Schulden) und Teilungsversteigerungen (z. B. zur Aufhebung einer Erbengemeinschaft) nahezu die Waage (32 zu 28). Das inzwischen gestiegene Zinsniveau schlägt sich bislang noch nicht auf die Eingangszahlen nieder: Noch immer ist die Vermeidung einer Zwangsversteigerung durch einen freihändigen Verkauf der Immobilie sehr gut möglich, da das Angebot auf dem Immobilienmarkt im Gegensatz zur Nachfrage eher gering ist. Erfahrungsgemäß wird auch durch die Gläubiger erst über längere Zeit nach anderweitigen Lösungen gesucht, bis tatsächlich nur noch die zwangsweise Verwertung einer Immobilie bleibt. Darin begründen sich wohl auch die seit Jahren bayernweit konstant niedrigen Eingangszahlen. Die verbleibenden Verfahren sind allerdings anspruchsvoll: In Teilungsversteigerungen werden häufig Konflikte (aus Scheidungen oder anderen familiären Streitigkeiten) weitergeführt oder auch komplizierte Erlösverteilungen – u. a. wegen großer Erbengemeinschaften (durchaus über mehrere Generationen zurück) nötig.

Beim Amtsgericht Ansbach sind derzeit 10 Gerichtsvollzieher (2 weiblich/8 männlich) beschäftigt. Die Gerichtsvollzieher sind Beamte des Freistaates Bayern. Sie handeln bei der Zwangsvollstreckung selbständig und unterhalten ein eigenes Büro außerhalb des Gerichtsgebäudes, für das sie vom Freistaat Bayern eine Bürokostenentschädigung erhalten. Der Begriff „selbständig“ bezieht sich aber nicht auf die Art des Anstellungsverhältnisses, sondern auf die Art der Durchführung der Vollstreckung, meint also eine gewisse Unabhängigkeit der Gerichtsvollzieher bei der Vollstreckung. Am 3. März 2020 fand eine Messerattacke auf einen Gerichtsvollzieher in dessen Büro durch einen Schuldner statt, bei dem die Räumung des angemieteten Anwesens anstand. Nur durch das beherzte Eingreifen eines Kollegen und einer Kollegin hat der Gerichtsvollzieher überlebt, erlitt aber eine schwere Verletzung an der Hand. Der Angreifer wurde am 16. März 2021 durch das Landgericht Ansbach wegen versuchten Mordes, gefährlicher Körperverletzung und eines tätlichen Angriffs auf Vollstreckungsbeamte zu einer Freiheitsstrafe von 8 Jahren verurteilt. Aus diesem beinahe tödlichen Angriff hat der Freistaat Bayern Konsequenzen gezogen:  Es werden nun alle Gerichtsvollzieher in Bayern Schutzjacken mit einem sehr hohen Stich- und Schnittschutz erhalten.

Grundbuchamt

Personen, die ein berechtigtes Interesse (§ 12 Abs. 1 GBO) darlegen, also beispielsweise der Grundstückseigentümer, ein Gläubiger oder Inhaber eines Rechts am Grundstück, kann Einsicht in das Grundbuch und die hierzu geführten Grundakten gewährt werden. Das Einsichtsrecht umfasst die Erteilung von Auskünften über den Inhalt des Grundbuches, die Fertigung von Grundbuchabschriften und von Kopien der Eintragungsunterlagen (z.B. Notarurkunden). Zur Rechtsberatung ist das Grundbuchamt nicht befugt. Die Einsicht in das Grundbuch ist kostenfrei, während für die Erteilung von Grundbuchblattabschriften eine Gebühr anfällt (10 Euro für eine unbeglaubigte, 20 Euro für eine beglaubigte Abschrift). Als Folge der coronabedingten Einschränkungen ist die Zahl der persönlichen Vorsprachen im Jahr 2022 spürbar zurückgegangen. Sprunghaft zugenommen haben im 2. Halbjahr 2022 jedoch die schriftlichen Anträge auf Erteilung von Grundbuchabschriften. Der Grund hierfür liegt in der durch die Bundesregierung angekündigten Reform des Grundsteuerrechts und der Verpflichtung der Immobilieneigentümer zur Abgabe der Grundsteuererklärung, d.h. der für die Neuberechnung der Grundsteuer maßgeblichen Bewertungsdaten. Allerdings ergeben sich aus den Grundbüchern nur die rechtlichen Verhältnisse an Grundstücken, nicht aber beispielsweise die Wohnfläche von Gebäuden. Damit verbunden waren unzählige telefonische Anfragen von Grundstückseigentümern, die auf diesem Weg die erforderlichen Daten erfragen wollten. Ab 2023 gelten im Rahmen der Erbschafts- und Schenkungssteuer neue Bewertungsregeln für Immobilien, die sich am Verkaufswert orientieren. Es wird davon ausgegangen, dass aufgrund der drastisch gestiegenen Grundstückspreise der nun zu versteuernde Satz um 20 bis 30 Prozent höher liegen könnte als bisher. Vor diesem Hintergrund wurden im November und Dezember 2022 weitaus mehr  Grundstücksüberlassungs- und Übergabeverträge als in den Vorjahren durch die Notare beurkundet und gegen Jahresende dem Grundbuchamt zur Bearbeitung vorgelegt.

Ausblick

  • Der elektronische Rechtsverkehr: Der elektronische Rechtsverkehr ermöglicht schnelle, unkomplizierte und sichere Kommunikation mit den Justizbehörden. Seit dem 1. Januar 2022 sind Rechtsanwälte, Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts verpflichtet, Schriftsätze und deren Anlagen sowie schriftlich einzureichende Anträge und Erklärungen ausschließlich elektronisch an die Justiz zu übermitteln. Diese Regelung findet auch bei der Kommunikation mit den Gerichtsvollzieherinnen und Gerichtsvollziehern Anwendung. Vollstreckungsaufträge können demnach vom oben genannten Personenkreis nur noch auf elektronischem Weg eingereicht werden. Im Anwendungsbereich des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG) gilt die Pflicht zur elektronischen Kommunikation auch für Notarinnen und Notare. Derzeit gehen beim Amtsgericht Ansbach wöchentlich ca. 1.800 Schriftstücke elektronisch ein.
  • Elektronischer Rechtsverkehr von/mit Privatpersonen:
    Mit einer absenderbestätigten De-Mail: Um mit den Gerichten kommunizieren zu können, muss das De-Mail-Postfach in der Lage sein, eine absenderbestätigte De-Mail zu verschicken. Die De-Mail-Adressen der Gerichte und Staatsanwaltschaften sind in dem öffentlichen Verzeichnisdienst im Sinne des § 7 des De-Mail-Gesetz vom 28. April 2011 hinterlegt.
    Über das besondere elektronische Bürger- und Organisationenpostfach (eBO): Das eBO ermöglicht sowohl den Versand elektronischer Dokumente an die Gerichte als auch den Empfang elektronischer Dokumente. Die Registrierung eines neuen eBO sowie Empfang und Versand von Nachrichten sind nur über spezielle Computerprogramme möglich.
    Mit dem Postfach- und Versanddienst der BayernID: Mit der BayernID können Sie sich bei dem „Formular zur Einreichung elektronischer Dokumente“ anmelden. Zunächst wird nur der Versand von elektronischen Unterlagen an die Justiz unterstützt. Ein Empfang von Nachrichten der Justiz im Postkorb der BayernIDist technisch noch nicht möglich. Weitere Informationen finden Sie unter: Elektronischer Rechtsverkehr – Bayerisches Staatsministerium der Justiz (bayern.de)
  • Die elektronische Akte: Beim Amtsgericht Ansbach wurde im November 2022 für Zivilsachen und im Dezember 2022 auch für Familiensachen die elektronische Aktenführung aufgenommen. Alle neu beantragten Gerichtsverfahrenwerden nur noch elektronisch bearbeitet. Papierakten gehören dann der Vergangenheit an. Die E-Akte erleichtert den Arbeitsalltag, weil im Home-Office jeder vom Laptop aus auf die Akten zugreifen kann und nicht mehr auf dicke Papierakten angewiesen ist. Auch können an einer E-Akte gleichzeitig mehrere Personen arbeiten. Die Wachtmeister müssen keine dicken Aktenberge mehr mit Wagen durch die Flure des Gerichts von Büro zu Büro fahren. Die Akten sind also weniger unterwegs und Verfahren können damit schneller und effektiver bearbeitet werden. Der Einführung gingen umfangreiche Schulungsmaßnahmen für unsere Mitarbeiter voraus. Zum Tagesgeschäft gehören leider immer wieder Störungen der technischen Infrastruktur. So gehen beispielsweise elektronische Dokumente mit zeitlicher Verzögerung ein oder für Rechtsanwälte bestimmte Dokumente können nicht versandt werden. Dann müssen wieder althergebrachte Informationswege wie der Faxversand oder die Briefpost eingesetzt werden. Die Einführung der elektronischen Akte in Grundbuchsachen findet am 10. Juli 2023 statt, in Betreuungssachen am 16. Oktober 2023 und in Immobiliarvollstreckungssachen am 27. November 2023. Bis 2026 muss die elektronische Akte deutschlandweit bei allen Gerichten und für alle Gerichtsbereiche eingeführt sein.
  • Das Datenbankgrundbuch: Deutschlandweit laufen weiterhin die Vorbereitungen zur Einführung eines bundeseinheitlichen Datenbankgrundbuchs.Künftig werden notarielle Urkunden dem Amtsgericht nicht mehr in Papierform, sondern nur noch elektronisch vorgelegt und beim Grundbuchamt auch vollelektronisch weiterverarbeitet. Auch wenn es bis zur Einführung noch einige Jahre dauern wird, setzen wir bereits jetzt Personal zur Prüfung ein, ob bestehende Grundbucheinträge problemlos von einem Speichersystem in ein neues übertragen werden können. Unübersichtliche Grundbücher durch umfangreiche Buchungen oder frühere handschriftliche Vermerke werden so auf eine möglichst reibungslose Datenmigration vorbereitet. Im Jahr 2022 wurden beim Grundbuchamt Ansbach 796 Grundbuchblätter umgeschrieben, d. h. in eine für die Migrationssoftware fehlerfrei erkennbare Form gebracht. Es handelt sich um eine sehr zeitaufwändige, daher personalbindende, sowie haftungsträchtige Tätigkeit der Grundbuchrechtspfleger und -rechtspflegerinnen, da das Grundbuch dem öffentlichen Glauben unterliegt. Wie viele Grundbücher notwendigerweise diesem Verfahren zu unterziehen sind, lässt sich nicht konkret feststellen, da generell jedes vorhandene Grundbuchblatt zu diesem Zweck aufgerufen, überprüft und vom Rechtspfleger freigegeben werden muss. Das Grundbuchamt Ansbach verfügt über ca. 115.000 aktuelle Grundbuchblätter.
  • Videokonferenzanlage: Seit Juli 2022 ist eine mobile Videokonferenzanlage beim Amtsgericht Ansbach installiert und kann in allen Sitzungssälen genutzt werden. Vernehmungen und Verhandlungen können so in einer gesicherten digitalen Art durchgeführt werden. Dadurch müssen z. B. Zeugen oder Betroffene nicht mehr zwingend von weit her anreisen, sondern können bei dem Gericht an deren Wohnort angehört werden.  Über den Einsatz der Videokonferenzanlage entscheiden die Richterinnen und Richter in richterlicher Unabhängigkeit.