Fachkräftemangel im Ansbacher Landkreis?
Was haben sich Unternehmen in der Region einfallen lassen, um Mitarbeiter zu finden und zu binden? Ein Resümee nach fünf Jahren
Vor fünf Jahren haben wir bei Unternehmen in der Region nachgefragt, auf welche Maßnahmen sie setzen, um an geeignetes Personal zu kommen. Schon damals fehlten Fachkräfte, Nachwuchs, und die Mitarbeiter wurden immer älter. Geändert hat sich nach fünf Jahren offensichtlich nicht viel. Es gibt In-Branchen, die weniger Probleme haben Personal zu bekommen, in anderen Bereichen spitzt es sich weiter zu. Wir haben bei den Interviewpartnern von vor fünf Jahren nachgehakt, wie sie heute Personal suchen. Klar ist, man muss sich deutlich mehr auf die Mitarbeiter einlassen, Zusatzleistungen bieten und ein gutes Betriebsklima möglichst breit nach außen tragen.
Zum achten Mal in Folge gibt es im Bereich der Bundesagentur für Arbeit Ansbach-Weißenburg mehr Ausbildungsstellen als Bewerber – das geht aus dem Bericht zum Ausbildungsmarkt von Ende Oktober hervor. Bei der Berufsberatung gemeldet waren 3.392 junge Erwachsene, demgegenüber stehen 4.315 offene Ausbildungsstellen. Damit kommen auf einen Bewerber 1,3 Ausbildungsstellen. Nachwuchs fehlt vor allem im Lebensmittelverkauf (Fleischerei und Bäckerei), im Hotel- und Gaststättengewerbe sowie für viele Handwerks- und Logistikberufe, in Metallbau-, Bau- und Ausbauberufen. Weniger Ausbildungsstellen als Bewerber gibt es dagegen in Büro- und Verwaltungsberufen, in der Kfz-Technik, der Informatik und in gestalterischen sowie naturwissenschaftlichen Berufen.
Die Gründe für den Ausbildungsplatzüberschuss sind hauptsächlich die demographische Entwicklung und in der Folge weniger Schulabgänger sowie ein gestiegener Bedarf der Unternehmen an Mitarbeitern. Wie in den letzten beiden Jahren, beginnen zwei Drittel nach ihrem Schulabschluss mit einer Ausbildung. Ein Drittel geht weiter zur Schule oder startet ein Studium. „Für viele Betriebe wird die Herausforderung, ihre Ausbildungsstellen zu besetzen, immer größer. Sie müssen alle Möglichkeiten ausschöpfen, für ihr Unternehmen und ihre Ausbildungsplätze zu werben. Die Teilnahme an Ausbildungsmarktbörsen und ein erweitertes Praktikumsangebot helfen häufig weiter. Viele Ausbildungsstellen bleiben aber dennoch unbesetzt“, so Claudia Wolfinger, Chefin der Agentur für Arbeit Ansbach-Weißenburg. „Um auch in weniger nachgefragten Berufen Nachwuchskräfte zu finden, ist es unerlässlich, auch ‚schwächeren‘ Schülern eine Chance zu geben. Manchmal zeigen sich Talente erst in der Praxis.“
Die Arbeitslosenquote des Agenturbezirks liegt bei gerade einmal 2,3 Prozent. Die Nachfrage nach Beschäftigten war im Herbst groß. 1.075 neue Stellenangebote gingen beim Arbeitgeberservice ein, damit sind 5.463 offene Stellen im Bestand. „Aufgrund der anhaltend guten Konjunktur hat sich die Arbeitslosigkeit in unserer Region weiter reduziert. Sehr erfreulich ist, dass von der günstigen Entwicklung weiterhin alle Personengruppen profitierten“, so Claudia Wolfinger. „Erwartungsgemäß war der stärkste Rückgang der Arbeitslosigkeit bei den Jugendlichen zu beobachten. Die Zahl der unter 25-jährigen ohne Job hat im Verhältnis zum Vormonat um fast ein Viertel abgenommen. Der Hauptgrund dafür ist, dass viele ihr Studium oder noch eine Berufsausbildung aufgenommen haben.“
Lebenslanges Lernen
Ein wichtiges Thema für die Arbeitgeber sei im Moment die Weiterbildung, um gute Beschäftigte für andere Bereiche im Unternehmen zu qualifizieren. WeGebAU (Weiterbildung Geringqualifizierter und beschäftigter älterer Arbeitnehmer in Unternehmen) heißt das Programm. Betriebe können ihre Mitarbeiter mit finanzieller Unterstützung der Agentur für Arbeit zur Fachkraft fortbilden. Bei Unternehmen mit bis zu neun Beschäftigten übernimmt die Agentur die Kosten für die Weiterbildung vollständig. „Lebens-langes Lernen ist und bleibt ein großes Thema“, so Kerstin Bucka, Pressesprecherin der Agentur für Arbeit Ansbach-Weißenburg.
Aufwärtstrend in Sicht?
„Ich höre ziemlich viele Klagen aus den Unternehmen, was das Thema Fachkräftemangel angeht“, sagt Ekkehard Schwarz, Geschäftsführer der Wirtschaftsförderung des Landkreises Ansbach. Besonders gefragt sind im Moment Mitarbeiter im Elektro-, Metall- und Pflegebereich, so Schwarz. „Bei den Akademikern gibt es das Problem nicht so sehr in der Region, sondern eher bei den handwerklichen Berufen“, so der Wirtschaftsförderer weiter. Unternehmen setzen zunehmend auf der Suche nach geeigneten Bewerbern auf die sozialen Medien. Aber: „Die Mund-zu-Mund-Propaganda ist immer noch extrem wichtig, und auch der direkte Kontakt zu potenziellen Bewerbern, beispielsweise über den Verein oder die Feuerwehr“, erklärt Schwarz. „Hier hilft den Arbeitgebern der direkte Kontakt mit den möglichen Beschäftigten vor Ort.“ Doch Ekkehard Schwarz sieht für die Zukunft einen Aufwärtstrend: nämlich die Enkel der Babyboomer. 1964 wurde mit 1,36 Millionen Babys der geburtenstärkste Jahrgang aller Zeiten gemessen, 1990 war mit 905.000 erneut ein sehr starkes Jahr. Diese Kinder werden jetzt nach und nach Eltern oder sind es bereits.
Neuberger Gebäudeautomation, Rothenburg
Um weiterhin qualifizierten Nachwuchs im technischen Bereich ausbilden zu können, hat das Rothenburger Unternehmen Neuberger Gebäudeautomation vor ein paar Jahren ein Projekt mit der Mittelschule Rothenburg gestartet: Lust auf Technik. Schüler der achten Klassen waren an zwölf Nachmittagen im Unternehmen, um mit Spaß technische Prozesse kennenzulernen und zu erforschen. Unter anderem besuchten die Achtklässler eine Solar- und Biogasanlage oder bauten Maschinenmodelle nach. „Der erste Durchlauf war ein voller Erfolg“, erklärt Ausbilder Tobias Mühlauer, „Wir hatten im Nachgang sehr viele Bewerbungen. Ein Azubi arbeitet noch heute als Fachkraft im Unternehmen.“ Eine Neuauflage des Projekts kam sehr zum Erstaunen des Ausbilders nicht mehr zustande. Zu wenig Schüler hatten Interesse. Das Unternehmen bildet Fachinformatiker für Systemintegration, Industriekaufleute und Elektroniker für Automatisierungstechnik aus. Ganz neu ist die Ausbildung zum Elektroanlagenmonteur hinzugekommen. „Sie ist schulisch nicht so anspruchsvoll und für Menschen gedacht, die zwar gut ins Unternehmen passen, aber eben nicht so gute Noten haben“, erklärt Tobias Mühlauer. Ein Flüchtling absolviert die Ausbildung zum Elektroanlagenmonteur gerade. Der Betrieb hat in diesem Jahr mehr Bewerbungen bekommen als Ausbildungsplätze zur Verfügung standen. Als „Garagenfirma“ gründete Gerhard Neuberger das Unternehmen im Jahr 1968. Nach und nach etablierte sich der Betrieb als Zulieferer für Heizungs-, Lüftungs- und Regelungstechnik am Markt. Seit 1995 gehört Neuberger zur Weishaupt-Gruppe, die ihren Stammsitz im schwäbischen Schwendi im Landkreis Biberach hat. Neuberger bietet Gebäudeautomation, Reinraumsysteme und Monitoring. Zu den Kunden gehören Industriebetriebe, Universitäten, Kliniken, Schulen und Kindergärten.
LUXHAUS, Georgensgmünd
Ganz auf die Familienfreundlichkeit setzt der fränkische Energiesparhaushersteller LUXHAUS, ansässig in Georgensgmünd im Landkreis Roth. Ein vielfältiges Paket hat der fränkische Haushersteller für seine Mitarbeiter geschnürt: Flexible Arbeitszeiten, zeitweise einen mobilen Arbeitsplatz, Firmenrabatte, kostenloses Mineralwasser, Informationen für Mitarbeiter in Elternzeit und unbezahlten Urlaub – auf Wunsch auch länger. Das Unternehmen hat eine Kindertagesstätte namens „Grashüpfer“ für zwei Gruppen mit jeweils zwölf Kindern im Alter zwischen eins bis sechs Jahren. „Im Moment sitzen wir über einer attraktiven Verpflegungsmaßnahme für unsere Mitarbeiter“, stellt Marketingleiterin Carolin Seufert fest. „Die Maßnahmen sind ein großes Thema bei uns, um zufriedene Mitarbeiter zu haben und auch neue für unsere Region zu gewinnen.“ Jakob Lux legte 1924 den Grundstein des Unternehmens, Sohn Oswald Lux erweiterte den Betrieb um ein Schwesterunternehmen, das in den 1960er Jahren das erste Fertighaus herstellte. Inzwischen hat sich der LUXHAUS Vertrieb auf Standorte in der Schweiz, in Österreich, Belgien, den Niederlanden und Luxemburg ausgeweitet. Produziert wird nach wie vor ausschließlich im fränkischen Georgensgmünd, rund 260 Häuser im Jahr stellt das Unternehmen her. Insgesamt hat der Familienbetrieb knapp 360 Mitarbeiter. Alexander Lux leitet das Unternehmen in der dritten Generation zusammen mit Dirk Adam. Besonders gesucht sind im Moment Architekten, Handelsvertreter und Holzbauingenieure. Um diese Fachkräfte zu bekommen, präsentiert sich LUXHAUS mit all seinen Angeboten als attraktiver Arbeitgeber – auf einem Karriereportal im Internet.
Diakonie Neuendettelsau
Fachkräfte in der Pflege sind in Deutschland Mangelware. Auf 30.000 offene Stellen kommen rund 21.000 Fachkräfte ohne Job, so die Zahlen der Arbeitsagentur. Experten rechnen in sieben Jahren mit einem Bedarf von 150.000 zusätzlichen benötigten Stellen. Das geht auch an der Diakonie Neuendettelsau nicht spurlos vorbei. „Die Arbeitsmarktsituation für Menschen, die gerade einen Job suchen, ist sehr gut“, sagt Pressesprecher Thomas Schaller. Rund 130 offene Stellen hat die Diakonie auf ihren eigenen Karriereseiten im Internet. Vor Jahren schon begann das Unternehmen deswegen den Arbeitnehmern Extra-Leistungen anzubieten, wie beispielsweise eine zusätzliche Altersvorsorge oder Weiterbildungsangebote an der eigenen internationalen Akademie DiaLog sowie an der Wilhelm Löhe Hochschule für angewandte Wissenschaften. Auch im Bereich Gesundheitsmanagement ist die Diakonie unterwegs. „Wir kommunizieren unsere Pakete, die wir für die Beschäftigten geschnürt haben, viel offener nach außen“, so Schaller. Außerdem habe jede Einrichtung ein Budget für ganz unterschiedliche Maßnahmen. Eine Einrichtung hat sich beispielsweise einen Massagesessel angeschafft, eine andere setzt auf gesundes Obst. „Das kommt bei den Mitarbeitern sehr gut an und wir versprechen uns, dass sie die Zusatzleistungen nach außen geben“, so Thomas Schaller weiter. Die Diakonie Neuendettelsau ist mit 200 Einrichtungen und über 7.800 Mitarbeitern der größte diakonische Träger in Bayern.
G&B Bekleidung GmbH, Dinkelsbühl
Der Plan von G&B Bekleidung in Dinkelsbühl ist voll aufgegangen. Von 2012 bis 2015 hat Roslana Gladcenko nach ihrem Abitur im baden-württembergischen Nagold an der LDT Akademie für Modemanagement ein duales Studium zur Textilbetriebswirtin gemacht. zwölf Monate war die Studentin an der Akademie, 18 Monate im Betrieb. Für sie war es klar, dass sie nach ihrem Studium im Unternehmen bleibt und ihr Wissen mit in den Betrieb einbringt. Als Filialleiterin begleitete sie den Umbau des Geschäfts in Gunzenhausen. Im Moment arbeitet die junge Frau im Marketing, ist aber auch noch „an der Front“ – also im Verkauf, wie sie beschreibt. „Es ist ein sehr vielseitiger Job. Wir sind wie eine kleine Familie“, sagt Roslana Gladcenko. Das duale Studium hat sich also für beide Seiten gelohnt. Um in Zukunft auch weiterhin qualifizierte Mitarbeiter zu bekommen, sei es wichtig, für die Angestellten einen „attraktiven Arbeitsplatz bereitzustellen“, davon ist Georg Habelt Junior überzeugt. Dies ist auch wichtig, um auf dem Markt bestehen zu können. Denn für den Kunden gehe es nicht mehr um das Produkt, sondern um mehr Aufenthaltsqualität. Das Konzept mit Veranstaltungs-Café in Gunzenhausen sei gut aufgegangen, so Habelt. Nicht nur bei den Kunden, sondern auch bei den Mitarbeiterinnen, die durch das Ausschenken von einem Glas Sekt auch einmal in eine neue Rolle schlüpfen und den Kunden auf einer privateren Ebene begegnen, so Habelt weiter. Es sei wichtig – mit Blick auf die Konkurrenz durch den Online-Handel – „Mehrwerte ums Produkt zu schaffen“, sagt Georg Habelt Junior, und durch gezielte Aktionen, auch die Familien miteinzubinden.
Metzgerei Weinmann, Bechhofen
Die Metzgerei Weinmann in Bechhofen im Landkreis Ansbach hat im Moment 16 Mitarbeiter. „Bei den Fleischern und Verkäufern haben wir unser Personal, das steht“, sagt Chefin Marianne Weinmann. „Nur bei den Azubis schaut es schlecht aus. Metzger ist nicht gerade ein Modeberuf.“ Der Beruf des Fleischers werde total unterschätzt, das Wissen sei sehr hoch. Und auch die Tätigkeit habe sich sehr gewandelt, so Marianne Weinmann. Hinzu gekommen sind beispielsweise Fertiggerichte, Catering oder Geschenkartikel. Bei den Arbeitszeiten versucht Marianne Weinmann, auf die Wünsche ihrer Mitarbeiter einzugehen. Auch beim Dienstplan haben sie Mitspracherecht: Einige der Angestellten haben eine Landwirtschaft zuhause oder pflegebedürftige Angehörige. Gerade wenn die Ernte eingefahren wird, nimmt die Chefin darauf Rücksicht. „Für jeden kommt einmal die Zeit, wo er sich ausklinken muss“, so die Metzgerei-Chefin. „Viele meiner Mitarbeiter schätzen aber gerade das und sind schon seit Jahren dabei.“ Auch Fahrsicherheitstrainings oder Feuerlöschübungen gab es schon für die Mitarbeiter, und obendrauf noch einen Tankgutschein – als Dankeschön fürs Mitmachen. „Die Wertschöpfung ist einfach größer, wenn unsere Beschäftigten motiviert sind“, erklärt Weinmann. „Als kleiner Betrieb muss man schauen, dass es allen gut geht.“
ANDREAS STIHL AG & Co. KG, Waiblingen-Neustadt
Weltweit arbeiten fast 17.000 Beschäftigte bei der ANDREAS STIHL AG & Co. KG. Das Unternehmen mit Firmenzentrale im baden-württembergischen Waiblingen-Neustadt entwickelt und produziert unter anderem Motorsägen, Hochdruckreiniger, Heckenscheren und Äxte. Einen besonderen Schwerpunkt legt STIHL seit Jahrzehnten auf die Ausbildung von Fachkräften. Mit innovativen Ausbildungskonzepten bereitet das Unternehmen junge Menschen auf die Übernahme qualifizierter beruflicher Tätigkeiten vor. Um möglichst vielen Auszubildenden den Einstieg ins Berufsleben zu ermöglichen, hat STIHL schon vor Jahren begonnen, über Bedarf auszubilden. Doch nun hat das Unternehmen noch mal nachgelegt und die Zahl der Ausbildungsplätze von aktuell 75 im Jahr 2018 auf 104 für 2019 erhöht. Bereits im Vorjahr hat STIHL die Zahl der Ausbildungsplätze für 2018 aufgestockt. Das entspricht einer Gesamterhöhung von über 70 Prozent innerhalb von zwei Jahren. Dr. Michael Prochaska, STIHL Vorstand Personal und Recht, betont: „STIHL ist seit Jahren auf Wachstumskurs. Wir haben das vergangene Geschäftsjahr mit einem Umsatz- und Absatzrekord abgeschlossen. Um diesen Kurs weiter fortzusetzen, brauchen wir talentierte und engagierte Mitarbeiter, und im eigenen Unternehmen auszubilden, ist der beste Weg, sich gute Fachkräfte zu sichern.“ Ab 2019 bietet STIHL im Stammhaus insgesamt zwölf Ausbildungsberufe und acht Studiengänge an der Dualen Hochschule Baden-Württemberg an. Zusätzlich hat das Unternehmen das Angebot erweitert, beispielsweise um die Ausbildung zum Produktionstechnologien, Fachinformatiker und den Dualen Studiengang Wirtschaftsingenieurwesen Elektrotechnik. Andreas Stihl gründete 1926 in Stuttgart die A. Stihl Maschinenfabrik, in den Anfangsjahren fertigte er Vorfeuerungsanlagen und Waschmaschinen. Drei Jahr später folgte die erste Säge mit Benzinmotor, die stolze 48 Kilogramm wog. Heute ist das schwäbische Familienunternehmen in über 160 Ländern weltweit tätig.
Bildnachweis: BLMAG, Agentur für Arbeit, Diakonie Neuendettelsau, Luxhaus, Stihl AG, rawpixels.com from pexels und M. Scheuenstuhl (ROTABENE! Medienhaus)
Quelle: Business Lounge Magazin