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Bußgeldkatalog ist unwirksam: Frage stellte sich in Dinkelsbühl auch schon länger

Dinkelsbühl, 07.07.2020 – Die Stadt Dinkelsbühl stellte sich schon länger die Frage, ob der neue Bußgeldkatalog zumindest in Teilen wegen eines juristisch formellen Fehlers „nichtig“ ist. Gestern am späten Nachmittag kam an sämtliche Behörden die Mail mit dem Betreff „Nichtigkeit von Artikel 3, Bußgeldkatalog-Verordnung“ vom Bayerischen Innenministerium. Fazit: Ab sofort gilt wieder der alte Bußgeldkatalog.

Ziel in Dinkelsbühl: Fair mit Bürgern umgehen

„Hat der Bund bei der neuen Straßenverkehrsordnung einen Kardinalfehler gemacht, der dazu führte, dass die Verordnung oder zumindest Teile davon unwirksam sind?“ diese Frage stellte man sich in Dinkelsbühl. „Wir als Kommune mussten bei einem Ja zu der Frage, trotzdem mit jedem Blitzen und mit jeder Parkverwarnung diese dann unwirksame Verordnung seit 28. April vollziehen“, erläuterte Oberbürgermeister Dr. Christoph Hammer. In der Dinkelsbühler Verkehrsüberwachung sind seit Ende April und damit von der Nichtigkeit 762 Verstöße im fließenden Verkehr, von denen 485 durch Bezahlung erledigt sind, betroffen. Ebenso hat die Stadt 19 Fahrverbote aussprechen müssen, von denen 15 nach der alten Straßenverkehrsordnung nicht verhängt hätten werden dürfen. „Das war dem Bürger gegenüber unfair. Der Bürger muss sich eigentlich auf uns als Kommune, als ‚Obrigkeit‘ verlassen können“, so der Rathauschef.

Zuvor: ergebnislos um Lösung vor Ort bemüht

Er, die städtische Rechtsdirektorin Isabell Oertel und die Mitarbeiter der Kommunalen Verkehrsüberwachen hatten sich deshalb mit großem Engagement um eine Lösung vor Ort in Dinkelsbühl bemüht: Die Stadt fragte bei der Regierung nach der weiteren Vorgehensweise. Die Stadt appellierte v.a. an die von den Verstößen im fließenden Verkehr Betroffenen Einspruch einzulegen. Die Stadt wollte selbst korrigieren, jedoch softwaretechnisch ist es einer Kommune nicht möglich, auf das alte System umzustellen. Die Stadt telefonierte mit anderen Verkehrsüberwachungen, wie der Polizei. Die Stadt kündigte an, bis zur Klärung der Rechtslage Blitzer auszusetzen. Ebenso rief die Stadt den Gesetzgeber dringend dazu auf, aktiv zu werden. „Als gelernter Jurist sah ich die Klagewelle auf uns als kommunale Verkehrsüberwachung zurollen“, so Dr. Hammer, „da kommt der Supergau.“

Neuer Bußgeldkatalog „nichtig“

Gestern erging ein Eilschreiben an die Behörden. Damit ist die Frage beantwortet.

Das Bundesverkehrsministerium „ist der Rechtsauffassung, dass Artikel 3 der 54. Verordnung zur Änderung straßenverkehrsrechtlicher Vorschriften (StVO-Novelle, in Kraft seit 28.04.20) betreffend die Änderung der Bußgeldkatalog-Verordnung (BKatV) wegen eines Verstoßes gegen das Zitiergebot (Art. 80 Abs. 2 S. 3 GG) nichtig ist. Diese Auffassung hat das BMVI heute in einer Videoschaltkonferenz mit den Ländern erörtert. Die Nichtigkeit betrifft nicht die StVO-Novelle insgesamt, sondern nur die Änderung der BKatV.“ Laut dem Schreiben sind sich „Bund und Länder einig, ab sofort für laufende Verkehrsordnungswidrigkeitenverfahren die alte Rechtslage anzuwenden (Rechtsstand 27.04.20). Bußgeldbescheide und Verwarnungen, die auf Grundlage der BKatV, in der Fassung durch die 54. Verordnung zur Änderung straßenverkehrsrechtlicher Vorschriften, ergehen, sind rechtswidrig. Das betrifft alle Tatbestände, die durch die 54. Verordnung geändert oder neu eingeführt wurden.“ Das Ministerium teilte ebenso mit, dass es für bereits rechtskräftige Bußgeldbescheide bis voraussichtlich 10.07.20 Verfahrenshinweise geben wird.

Schaden schwer zu beziffern

„„Als Oberbürgermeister und damit Letztverantwortlicher der kommunalen Verkehrsüberwachung in Dinkelsbühl darf ich den betroffenen Verkehrsteilnehmern heute mitteilen, dass wir hinsichtlich festgestellter Verstöße im fließenden Verkehr, insbesondere bei verhängten bzw. angedrohten Punkten im Verkehrszentralregister bzw. Fahrverboten, auf Antrag bzw. von Amts wegen Alles versuchen werden, die rechtswidrigen Ahndungen zurückzunehmen bzw. der alten Rechtslage anzupassen. Obwohl die Stadt für den Fehler keine Verantwortung trägt, sind wir es unseren Bürgerinnen und Bürgern schuldig, korrekt zu handeln. Nur so kann Vertrauen in die ‚Obrigkeit‘ entstehen bzw. gesichert werden. Der durch den Fehler des Bundesverkehrsministeriums verursachte Schaden für die Kommunen bzw. die öffentliche Hand und die Verkehrsüberwachungsunternehmen lässt sich wohl nur schwer beziffern. Allein in Dinkelsbühl sind in Höhe von ca. 100.000 Euro zu viel an Bußgeldern verhängt worden (Unterschiedsbetrag zwischen den bisherigen Sätzen und den ab 28.04.20 geltenden Bußgeldern). Hier sollten sich die Verantwortlichen Gedanken machen, wie man damit umgeht“, sagt Dr. Hammer.


Quelle: Stadt Dinkelsbühl