„Ich sehe das mit sehr gemischten Gefühlen“
Interview mit Wetterforscher Hans-Martin Goede
Wer sich in Ansbach für das Wetter interessiert, kommt an Hans-Martin Goede nicht vorbei – und das meinen wir im besten Sinne! In Schalkhausen steht seine eigene Wetterstation, mit der er bereits seit mehr als 38 Jahren Daten über das Ansbacher Wetter sammelt.
Ein Hoch auf Hans-Martin!
Von nun an ist der 50-jährige – sehr junggebliebene – Wetterverrückte auch „unser“ Wettermann! Denn die Daten seiner Wetterstation stellt er uns hier künftig zur Verfügung. Um Danke zu sagen und mit ihm über sein neues Buch zu sprechen, haben wir uns virtuell mit ihm zum Interview getroffen.
Hans-Martin Goede wurde am 27. Juni 1970 geboren. Mit sieben Jahren zog er mit seinen Eltern nach Ansbach. Heute lebt Hans-Martin Goede in Stuttgart, arbeitet als freier Journalist, hat seine eigene Onlinezeitung und schreibt Reiseberichte und Fachbücher über das Wetter in Mittelfranken. Sein neuestes Buch „Klimareihe 1990 bis 2020 Ansbach (Mittelfranken)“ ist seit Ende Februar auf dem Markt. Dafür hat er die Wetterdaten, die er von einer eigenen Wetterstation aus dem Garten seiner Eltern in Schalkhausen gewinnen konnte, analysiert.
Wenn man sich schon so lange und intensiv wie Sie mit dem Wetter auseinandersetzt, frage ich mich: Spüren Sie bereits im Vorfeld, wenn das Wetter dabei ist, umzuschlagen?
Nach all den Jahrzehnten kann ich mit zunehmendem Alter nun immerhin extremen Tiefdruck wahrnehmen – mit Kopfschmerzen. Ansonsten fühl ich da eher nichts – eher sehe ich den Wetterwechsel kommen: Sei es durch Veränderung der Bewölkung, anhand von Schwankungen der Messgeräte wie der Luftfeuchte – oder auch mal durch die Anzeige des Regenradars auf der App, wenn ich zu faul bin selber zu schauen oder mich in geschlossenen Räumen aufhalte.
In Ihrem neuen Buch „Klimareihe 1991 bis 2020 Ansbach (Mittelfranken)“ stehen auf 46 Seiten Daten und Analysen über das Wetter der letzten 40 Jahre in Ansbach. Was fasziniert Sie so am Wetter?
Ich habe schon mit zwölf damit angefangen, mich für Wetterbeobachtung zu interessieren. Nach einem Fahrradunfall hatte ich über einen längeren Zeitraum einen Gips am Bein, konnte nichts machen und mir war langweilig. Von meinem Großvater hatte ich ein Barometer geerbt, und im Oktober 1982 war so ein wahnsinniges Tiefdruckgebiet. Ich habe gestaunt, wie weit so ein Barometer fallen kann. Also: Zettel, Stift und Daten aufschreiben. Mich hat das irgendwo gereizt und ich bin davon auch nicht mehr weggekommen.
Sie sind schon lange der „Wetterfrosch von Ansbach“ – auch wenn Sie mittlerweile nicht mehr hier wohnen. Als Sie mit ihrer Arbeit angefangen haben, lief noch alles analog ab. Jetzt in der digitalen Zeit ist die Arbeit eine ganz andere. Was hat sich verändert?
Früher bei der analogen Beobachtung, hat man noch jeden Moment in den Himmel geguckt und alles aufgeschrieben: War es Regenstärke Null, Eins, oder Zwei? Welche Wolken sind unterwegs gewesen in diesem Moment? Das hat natürlich mit der Digitalisierung jetzt alles aufgehört. Die Software sagt einem, wie stark es von wann bis wann geregnet hat. Dadurch ist natürlich auch das Vergessen größer geworden. Ich kann aus den 80ern so manchen Tag mit Wetterablauf aus dem Effeff rausschleudern. Das könnte ich von den letzten 20 Jahren – die ja digital waren – in der Intensität nicht mehr.
In den letzten Jahren wurde viel über das Thema Klimawandel diskutiert. Ist Ihnen bei der Auswertung der Wetterdaten auch in Ansbach etwas aufgefallen?
In den letzten 30 Jahren sind die Temperaturen im Vergleich zum Jahresmittel der 30 Jahren davor extrem gestiegen – das ist unverkennbar. Das erste dokumentierte 30-Jahresmittel in Ansbach ist von 1881 bis 1910. In den 140 Jahren von damals bis heute sieht man einen Temperaturanstieg von 1,6 Grad. Wenn ich allein das Mittel der letzten zehn Jahre betrachte, sind wir sogar um 2,2 Grad über dem ersten 30-Jahresmittel. Das ist das Erschreckende an der neuen Klimaperiode – wie schnell die Temperaturen angestiegen sind. Was noch erschreckender ist, sind die rückläufigen Niederschläge in den letzten 30 Jahren.
In 140 Jahren 1,6 Grad wärmer im Jahresdurchschnitt – irgendwie schwierig, sich vorzustellen, was das bedeutet.
Wenn man die Schneeentwicklung so fortspinnt – auch wenn es jetzt im Januar/Februar mal wieder mehr geschneit hat – wird es im Jahr 2050 in Ansbach so gut wie keinen Schnee mehr geben, weil es einfach zu warm dafür ist.
Wie problematisch ist das?
Das spart uns zwar einen Haufen Heizkosten, aber die Natur ist darauf ausgelegt, dass wir kalte Winter haben und „normale“ Sommer – nicht rund ums Jahr eine Hitzewelle. Ich sehe das mit sehr gemischten Gefühlen. Es mag zwar ganz angenehm sein, wenn wir tolle Sommer haben wie 2018/2019/2020, aber jedes Jahr einen Sommer wie 2003, wo zigtausende Menschen einen Hitzetod sterben? Und wenn die Niederschläge weiterhin so rückläufig bleiben, wie die letzten Jahre, dann werden wir uns mit der Landwirtschaft gehörig umstellen müssen – wasserintensive Pflanzen werden dann nicht mehr hochkommen.
Vielen Dank für das Interview!
Vielen Dank für die Wetterdaten!
Und so fällt es uns auch nicht schwer, nochmals Werbung für Hans-Martins neuestes Buch „Klimareihe 1990 bis 2020 Ansbach (Mittelfranken)“ zu machen. Ihr könnt es sowohl bei Hans-Martin Goede direkt als auch in Ansbach bei jedem Buchhändler unter der ISBN 9783932884535 bestellen bzw. kaufen.