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Wolfram-von-Eschenbach-Preisträger 2011 Ludwig Fels verstorben

Bezirk Mittelfranken, 12.01.2021 – Am gestrigen Montag, den 11. Januar 2021 verstarb nach Meldung auf der Facebook-Seite des Bezirk Mittelfrankens in Wien der Wolfram-von-Eschenbach-Preisträger 2011, Ludwig Fels (1946 Treuchtlingen – 2021 Wien).

Aus diesem Anlass hier nochmals die Laudatio auf den Preisträger, gehalten von Angela Baumann in Wolframs-Eschenbach am 4.10.2011:

„Es begann 1973 mit dem Förderpreis der Stadt Nürnberg, da war Ludwig Fels gerade mal 27 Jahre alt. In den fast vier Jahrzehnten bis heute wird er immer wieder für seine sprachmächtige Literatur ausgezeichnet. Aber wie man so schön sagt, das war ihm nicht an der Wiege gesungen worden, an der ohnehin keine gute Fee stand.
Seine Kindheit und seine Jugend waren eher trübe, die berüchtigte Chancenlosigkeit vorprogrammiert: Volksschule, abgebrochene Malerlehre und von da an verschiedene Hilfs- und Gelegenheitsjobs, in deren Verlauf und über sie begann er zu schreiben.
In seinem vorerst letzten Roman „Die Parks von Palilula“ beschwört er nahezu gebetsmühlenhaft den rettenden Einfluss seiner Frau Rosi, die er sehr früh heiratete und die ich hier ausdrücklich begrüßen möchte.
Gemeinsam arbeiteten sie sich aus der Misere heraus, vergaßen sie aber nie und ließen sich nicht von einer Gesellschaft vereinnahmen, der im Grunde jegliche Moral verloren gegangen ist. Dazu gehört auch der Buchmarkt mit Hundert Tausenden von Büchern, die den Anspruch an Literatur ad absurdum führen: zwischen zwei Buchdeckeln sollte eben kein leeres Stroh gedroschen werden. Was Wunder, dass engagierte Autoren wie Ludwig Fels niemals zu Reichtum, nicht einmal zu Wohlstand kommen.
Was bewegt Preisverleiher und Jurys über vier Jahrzehnte Ludwig Fels auszuzeichnen? Im Falle des Wolfram von Eschenbach Kulturpreises geht es zuerst um den Bezug zu Franken und darum, dass der Preisträger ein würdiger Botschafter Frankens weit über seine Grenzen hinaus ist. Das ist die Voraussetzung, und es gibt unglaublich viele Franken, die diese Kriterien erfüllen. Worum geht es speziell bei Ludwig Fels?
So viele Bücher er geschrieben hat, sein Thema ändert sich nicht. Wie der Rufer in der Wüste fordert er Gehör für die vermeintlichen Versager, die Benachteiligten, Ausgebeuteten und Verzweifelten. Die thailändische Kinderprostituierte, die Asylantin wie der schwarze Kammerdiener am Wiener Hof, alle sind Außenseiter, diskriminiert und in ihrer Würde verletzt. Fels demaskiert ihre Peiniger, die mehr oder minder subtil ihre fragwürdige Macht ausspielen. Dem Leser, Hörer und Theaterbesucher stellt Ludwig Fels die immer gleiche Frage: bist Du korrumpierbar? Wie sind die Strukturen Deines Denkens, Fühlens und Handelns und solltest Du sie ändern?
Selbstverständlich erweist sich ein solches Anliegen einen Bärendienst, wenn sich Form und Inhalt nicht auf gleichem Niveau befinden. Auch die Sprache von Ludwig Fels entlarvt die vielen leeren Worthülsen, an die wir uns gewöhnt haben.
Hinter sprachlicher Unverbindlichkeit steckt eben auch eine inhumane allgemeine Unverbindlichkeit, die sich nicht um das Leid in der Welt kümmern mag. Ludwig Fels setzt der immer mehr grassierenden Gier etwas entgegen, das uns anrührt wie das verlorene Paradies: Sehnsucht.
Sehnsucht nach einer besseren Welt, Sehnsucht nach Liebe, nach Gott und sich selbst.
Ein Paradiessucher. Er beschreibt es ganz konkret als wilden Garten und sucht diesen, um ihn zu verschenken. Selbst bewohnen will er das Paradies auf gar keinen Fall. So schlimm das klingt: „Schreiben, das ist ungefähr so, als würde man, im Ozean untergehend verdursten“, missen möchte er diese Lebensbedrohung nicht. „Die Arbeit am Schreibtisch macht mich anfällig für Sekundensuizide“. Klingt ein bisschen nach Sucht und ist sicher eine.
An den jungen Fels denkend drängt sich mir ein Wort aus der Familie Thomas Mann auf: die Zornewut. Ein wütender junger Mann, gegen Konventionen, Ungerechtigkeit jeder Art, leeres Geschwätz antobend und nicht zuletzt gegen sich selbst. Dabei – so seltsam es klingt – ein Optimist, ein Glückssucher.
Um es suchen zu können, muss man an das Glück glauben. Wir wissen ja, dass es nur in ganz kleinen Einheiten zu haben ist, Goldkörnchen, die nur unter höchster Aufmerksamkeit aus taubem Sand zu waschen sind. Und obwohl er immer nach nennenswerten Barren zu suchen scheint, weiß gerade Ludwig Fels, dass Degussa drauf stünde, falls man sie fände.
Glücksmomente allerdings muss es einige gegeben haben im Leben des Ludwig Fels: schon im Jahre 1979 folgt der Leonce und Lena Preis und der der SWR Bestenliste. Ein Senkrechtstarter, zunächst festgelegt auf das Genre „Literatur der Arbeitswelt“, aus dem er sich nur langsam befreien kann. Grob gesagt folgt in jedem Jahr eine Veröffentlichung, darunter so bekannte Titel wie:
Die Sünden der Armut, Ich war nicht in Amerika, Vom Gesang der Bäuche, der Roman Ein Unding der Liebe, der verfilmt wurde, Kanakenfauna usw.
In Franken las Ludwig Fels in letzter Zeit sowohl aus seinem Mister Joe, als auch aus Der Reise zum Mittelpunkt des Herzens. Neben der Prosa dürfen wir die Poesie nicht vergessen, die sowohl die Prosa als auch die Lyrik durchdringt.
Er schrieb um die 20 Hörspiele und acht Theaterstücke, wovon wir alle Lämmermann kennen, Der Affenmörder und Lieblieb.Ludwig Fels wurde vielfach ausgezeichnet, unter anderem mit dem Falladapreis, dem Villa Massimo Stipendium, Stadtschreiberaufenthalten in Bergen und Otterndorf, dem Elias Canettipreis und zuletzt dem Preis der Wilhelm und Christine Hirschmann Stiftung in Treuchtlingen.
Wer ihn kennt, weiß um sein problematisches Verhältnis zur Heimat. Vielleicht hat es seine Wurzeln in dem Verdacht, die Heimat habe zu ihm kein rechtes Verhältnis. So lange Ludwig Fels nun schon in Wien lebt, so oft muss er zurück nach Franken, um Lesungen zu halten oder Preise entgegen zu nehmen und er scheint langsam fortschreitend, wie bei echten Franken üblich, seine Heimat zu mögen.
Wer Ludwig Fels heute ist, kann in seinem eindringlichen neuen Roman: „Die Parks von Palilula“ nachgelesen werden.
Er scheint gemäßigter im Vergleich zu früher. Über seinem letzten Buch liegt wie das Sfumato bei Leonardo ein Schleier von Melancholie, wenn nicht gar Resignation obwohl er uns wieder einmal drastisch vor Augen führt, wie Unglück gemacht wird. Ein Stoiker wird er nie werden, sein Herz an etwas oder jemanden zu hängen macht selten glücklich, aber es hält lebendig.
Ludwig Fels ist kein bequemer Schriftsteller, aber wer braucht die schon? Er ist aus Franken, aber kein fränkischer Schriftsteller so wenig, wie ein Vertreter der Literatur der Arbeitswelt. Er passt in keine Schublade und er ist sich in den letzten 40 Jahren treu geblieben. Ich kann nur raten, lesen Sie ihn, er öffnet einem die Augen für viele Dinge, die im Argen liegen und an denen wir vielleicht das eine oder andere ändern sollten.“

Quelle: Bezirk Mittelfranken