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Wir sind nicht ferngesteuert

Das Interview: Markus Kober, Fabian Neitzel, Dr. Christoph Glenk und Bernd Großmann

Durch die Finanzkrise 2007 und die anschließende staatliche Regulierung, eine lange Niedrigzinsphase und eine starke Veränderung im Nutzungsverhalten vieler Kunden ist der Finanzdienstleistungssektor starken Veränderungen ausgesetzt. In solch dynamischen Zeiten suchen die Menschen Sicherheit, da klingen Schlagworte wie Selbstverantwortung, Selbstverwaltung und Selbsthilfe plötzlich nicht mehr altmodisch. Diese Begriffe umschreiben das Leitbild der VR-Banken. Zwei von ihnen, die VR-Banken in Feuchtwangen und Dinkelsbühl, haben gerade fusioniert, um für diese geänderten Rahmenbedingungen fit zu sein. Die neue Bank umfasst 26 Geschäftsstellen, hat 344 Mitarbeiter, über 53.000 Kunden und eine Bilanzsumme von 1,2 Milliarden Euro. Das Business Lounge Magazin hat mit den vier Vorständen über Informationsflut, Regionalität und Digitalisierung gesprochen.

Magazin: „Wie schätzen Sie die Finanzbranche in Deutschland momentan ein?“

Dr. Christoph Glenk

Dr. Christoph Glenk: „Seit 2008 ist die Finanzbranche im Umbruch und es wird stark selektiert. Die kleinen Banken werden durch die verschobenen Kostenstrukturen verschwinden, weil sie die Bedingungen aus Brüssel und Berlin, mehr Personal in der Verwaltung einzusetzen, einfach nicht mehr erfüllen können. Das ist aus unserer Sicht auch stark übertrieben, aber typisches Verwaltungsdenken. Zudem übertreiben die Deutschen manchmal mit der Umsetzung dessen, was in Europa vorgeschlagen wurde. Das wird die Kleinbanken an den Rand der Existenz bringen und durch Fusionen wird sich deren Stückzahl reduzieren. Auch die Großbanken werden ihre Prozesse so verschlanken, dass kleinere Kunden nur noch elektronisch bedient werden. Das ist jedoch unsere Nischenchance. In der Genossenschaftsorganisation werden wir, genauso wie es auch die Sparkassen machen müssen, fusionieren, um größere Einheiten zu bilden. Trotzdem werden wir, im Gegensatz zu den Großbanken, auch weiterhin in der Region stark präsent sein. In der Folge dieser Entwicklung wird es in Deutschland weniger Arbeits- und Ausbildungsplätze in der Bankenwelt geben. Auch das Steueraufkommen wird sich verringern, denn die Sparkassen und Genossenschaftsbanken zahlen den größten Teil. In den letzten 20 Jahren hat die Deutsche Bank weniger Steuern an den Staat gezahlt als die Genossenschaftsbanken in Bayern. Niedrigzins, Digitalisierung und Regulatorik – das sind die drei großen Themen, die uns definitiv beschäftigen werden. Nach meiner Meinung ist die Digitalisierung die größte Herausforderung.“

„Das genossenschaftliche Bankmodell ist zukunftsfähiger als andere.“

Dr. Christoph Glenk

Magazin: „Ist Regionalität in der heutigen Zeit, in der das World Wide Web immer wichtiger wird, überhaupt noch gefragt?“

Markus Kober: „Genau das hinterfragen wir auch. Man könnte vermuten, dass das Internet das Regionalprinzip irgendwann auflösen könnte. So ist es aber nicht. Es gibt zwar viele junge Kunden, die Internetbanking nutzen, und auch ältere fragen ihre Kontostände gerne bequem von zu Hause ab. Trotzdem ist der Großteil unserer Kunden – ich schätze 70 Prozent – hybrid. Das heißt, er möchte beide Möglichkeiten nutzen – über die Bank-App online bequem Dinge erledigen, aber auch die persönliche Beratung vor Ort nutzen, wenn es um spezielle Fragestellungen geht. Das ist unserer Herausforderung, aber auch unsere Stärke. Gerade in einer Zeit, in der es ein Überangebot an Informationen im Internet gibt, muss ich beim Kunden genau das aussortieren können, was wichtig ist. Da ist die persönliche Beratung gefragt, und damit meine ich nicht nur zur Baufinanzierung. Wussten Sie übrigens, dass 2016 nicht eine einzige Baufinanzierung online abgewickelt wurde? Da steckt eben mehr Beratungsbedarf dahinter, und das können wir über unser großes Filialnetz leisten. Diese genossenschaftliche Beratung ist zudem vollumfänglich und deckt weitere Fragen drum herum ab. Da kann uns jeder gerne einmal testen.“

Magazin: „Wo liegt der Unterschied zwischen der Genossenschaftsbank und den Großbanken?“

Bernd Großmann: „Wir sind näher am Kunden. Wir sind eine echte Regionalbank und tragen nicht nur das Label regional. Das bedeutet, wir sind mit Standorten in der gesamten Region stark vertreten und unsere Mitarbeiter kommen aus der Region, sie sind hier verwurzelt. Viele von ihnen arbeiten schon seit vielen Jahren für uns, manche über 40 Jahre. Dadurch entwickelt sich ein besonderes Verhältnis zu unseren Kunden, sie kennen deren Bedürfnisse und können ganz anders auf sie eingehen. Das bedeutet aber auch, dass unsere Mitarbeiter unseren Kunden auch außerhalb der Arbeit ständig begegnen. Da wollen sie sich in die Augen schauen können, und das können wir auch mit dem, was wir bieten. Das ist ein ganz wesentlicher Unterschied zu international und überregional agierenden Banken. Unser Finanzprofil ist aber auch stabiler. Wir sind vor Ort die Frontplayer, die regional präsent sind, und im Hintergrund haben wir einen Konzern mit Zentralbank, Versicherungen und allen weiteren Institutionen, die wir für die seriöse Abwicklung unserer Aufgaben benötigen. So können wir als Regionalbank beispielsweise auch Unternehmen bei internationalen Geschäften sehr gut unterstützen.“

Magazin: „Wenn die Digitalisierung ein so grundlegender Umbruch ist, wie stemmen Sie diesen?“

Fabian Neitzel: „Letztendlich ist es doch so, dass der Kunde entscheidet, wo er hingeht und auf welche Weise er mit einer Bank in Kontakt treten möchte. Für uns ist der Weg, das eine zu tun und das andere nicht zu lassen. Wir sind natürlich weiter in der Fläche präsent und bieten den Kontakt von Mensch zu Mensch in unseren Geschäftsstellen. Zusätzlich haben wir umlernen müssen und sind ganz stark online unterwegs. Wir bieten eine ganz breite Palette von Dienstleistungen, die als solche manchmal gar nicht erkannt wird. Da sind wir dabei, das noch stärker in unsere Kundschaft zu transportieren. Da brauchen wir uns hinter keinem unserer Wettbewerber verstecken, sei er noch so groß oder sei er noch so international. Wir können die Wünsche der onlineaffinen Kunden genauso bedienen, wie die des Klientels, das gerne zu uns kommt. Dafür investieren wir auch viel, das wollen wir nicht verschweigen. Es wäre naiv zu glauben, dass man so etwas im Vorbeigehen umsetzen kann. Für uns steht dabei ganz klar die Beratungsqualität für den Kunden im Fokus, egal welchen Kommunikationskanal er nutzt. Das spart viel Zeit, z. B. kann sich ein Kunde auf unserer Homepage zu einem Thema vorbereiten. Unser Berater kann dann beim nächsten Gespräch direkt dort einsteigen und weiter machen, ohne dass der Kunde noch einmal alles erzählen muss. Der Kunde ist auf allen Kommunikationskanälen immer auf demselben Stand und wir reagieren auf das, was der Kunde will.“

Magazin: „Ist die derzeitige Niedrigzinsphase für Unternehmer eigentlich eine gute Zeit zum Investieren?“

Bernd Großmann: „Wenn Sie einen Kredit brauchen, wäre jetzt der richtige Zeitpunkt, denn niedriger wird es nicht, im Gegenteil, der Zins zieht wieder leicht an. Viele Unternehmen sitzen momentan auf enorm viel Liquidität, und die Europäische Zentralbank verlangt sogar Strafzins für Guthaben, den wir aber nicht weitergeben. Daher denken einige Unternehmer vielleicht, es wäre besser, diese Liquidität zu investieren, um eine Rendite von drei, fünf oder acht Prozent zu bekommen. Daraus wurden enorme Geschäfte generiert. Man darf aber nicht verkennen, dass die Baupreise auch gewaltig angestiegen sind. Die Meisterstunden kosten jetzt nicht mehr 40 Euro, sondern bis zu 90 Euro für die Stunde. Hier wurden sicherlich auch Fehlanreize befeuert, denn gerade bei uns in der Region hätten wir das niedrige Zinsniveau für eine Kreditvergabe nicht benötigt. Hier sind Menschen auch zu Fehlinvestitionen verleitet worden, die langfristig unwirtschaftlich sein können. Es gibt ganz andere Parameter, auf die wir als regionaler Kreditgeber ein Auge werfen, und das unterscheidet uns von anderen Banken. Wir schauen zum Beispiel auch darauf was passiert, wenn die Zinsen wieder steigen – kann der Kreditnehmer die Tilgungslast dann auch noch sinnvoll leisten, ohne in eine Schuldenfalle zu geraten.“
Magazin: „Die VR-Banken Feuchtwangen und Dinkelsbühl haben gerade fusioniert, warum?“

Fabian Neitzel

Fabian Neitzel:Feuchtwangen war eine regionale Bank und Dinkelsbühl war eine regionale Bank, aber es gab in diesem Gebiet auch Überschneidungen, die wir nun bereinigt haben. Beide Banken waren kerngesund, und durch die Fusion sind sie weiterhin kerngesund. Wir haben fusioniert, nicht weil wir mussten, sondern um langfristig gut aufgestellt zu sein. Durch die angesprochene Politik kommen hohe Personalkosten auf uns zu, die, wenn die Niedrigzins-phase noch zehn Jahre anhält, für beide Häuser nicht gut gewesen wären. Für die Kunden gibt es keine Nachteile. Wir ziehen uns nicht aus der Fläche zurück, sondern bleiben die regionale Bank mit den weiterhin meisten Filialen in der Region. Die zwei älteren Vorstände werden in den Ruhestand gehen und nicht ersetzt, ähnlich ist es bei älteren Mitarbeitern, die 40 bis 45 Jahre bei uns sind. So werden keine Arbeitsplätze vernichtet. Wir können dadurch die Personalkosten in Relation zur gewachsenen Bilanzsumme, die auf über eine Milliarde angestiegen ist, besser darstellen. Deswegen war es sinnvoll, uns zu gesunden Zeiten neu aufzustellen und die Sichtbarkeit zu erhöhen.“

Magazin: Wo wird die VR-Bank in zehn Jahren stehen?“

Dr. Christoph Glenk: „In zehn Jahren wird es uns noch geben und wir werden weiterhin gut aufgestellt sein. Ob es die anderen noch geben wird, das wird sich zeigen, der ein oder andere wird vom Markt verschwinden. Die Gruppe der VR-Banken ist so stabil aufgestellt, da würde ich sogar sagen, dass es uns auch in 30 Jahren nach wie vor noch geben wird. Dann werden wir die digitale und stationäre Welt noch mehr miteinander verflochten haben – wir sind dann immer noch vor Ort, bieten jedoch auch alles digital an.“

Magazin: „Der genossenschaftliche Gedanke könnte für junge Menschen ein bisschen altmodisch klingen. Wie überzeugen Sie sie vom Gegenteil?“

Markus Kober

Markus Kober: „Die Themen Selbstverantwortung, Selbstverwaltung und Selbsthilfe sind heute aktueller denn je. Ich sehe es als Ergänzung zur Globalisierung, dass man sich auf seine regionale und lokale Identität beruft. Wir sind nicht ferngesteuert, sondern wir entscheiden wirklich lokal, vor Ort und im Interesse unserer Region. Das ist das, was den Genossenschaftsgedanken jetzt aus dem Wirtschaftlichen heraus ausmacht, und immer mehr jungen Menschen wird das auch wichtig. Zudem sind wir tatsächlich die einzige Rechtsform im Bereich der Kreditinstitute, wo der einzelne Kunde gleichzeitig Teilhaber werden und auch mitbestimmen kann. Natürlich geht das prinzipiell auch bei einer Aktiengesellschaft, aber bei den Genossenschaftsbanken kann sich jeder über das Mitverwaltungsrecht aktiv selbst beteiligen.

Magazin: „Wie ist der Führungsstil bei Ihnen im Haus?“

Markus Kober: „Kommunikativ und verantwortungsvoll, wir legen viel Wert auf die Meinung unserer Mitarbeiter, und wir übertragen auch Verantwortung. Sie sollen sich aktiv mit ihrer eigenen Meinung einbringen, das erwarten wir von unseren Mitarbeitern. So kann jeder eigene Ideen im Rahmen seiner Kompetenzen, die wir auch großzügig vergeben, mit einbringen. Damit haben wir ein sehr gutes Miteinander.“

Magazin: „Sie haben mit der Fusion viele Veränderungen hinter sich. Was machen Sie, damit Ihre Mitarbeiter auch alle diese Veränderungen mitgehen?“

Bernd Großmann: „Fordern und fördern – so eine Fusion ist nicht in zwei Wochen vorbereitet und auch nicht in vier Wochen abgearbeitet. Bereits in der Vorbereitungsphase haben wir über Arbeitsgruppen die Mitarbeiter eingebunden und sie konnten Ideen einbringen. Im Nachgang holen wir wieder die Meinung der Mitarbeiter ein, und da hilft es, einfach mal zuzuhören, um neue Perspektiven kennen-zulernen. Der gesamte Umstellungsprozess wird sicherlich noch etwas Zeit in Anspruch nehmen. Wir wollen die Mitarbeiter schließlich nicht überfordern. Wenn jemand nicht mitkommt, soll er das rechtzeitig signalisieren, damit wir ihn unterstützen können. Wir benötigen jeden Mitarbeiter und wollen auch nicht, dass es sogar zum Burn-out kommt. Deshalb bieten wir unseren Mitarbeitern auch Einiges, und wir entwickeln sie weiter, mit Fortbildungen und Schulungen, es gibt eine gute Bezahlung und eine Altersversorgung. Wir fördern aber auch die Komplexität des Denkens, damit Mitarbeiter vernetzt denken können. Das sichert uns die Zukunft.“

Magazin: „Was halten Sie von unserem Bildungssystem in Deutschland?“

Dr. Christoph Glenk: „Das Bildungssystem gehört grundsätzlich auf den Kopf gestellt. Wir benötigen bundesweit nur noch ein Kultusministerium, ein einheitliches Schulniveau und gleiche Abschlüsse. Außerdem muss nicht jeder junge Mensch zwingend studieren. Wir haben sehr gute Erfahrungen mit Mittel- und Realschülern gemacht, diese Abschlüsse werden zu wenig beachtet. Überhaupt hat sich die Gesellschaft sehr verändert, ich finde, dass Eltern ihre Kinder erziehen müssen, und nicht die Schule. Es ist auch kontraproduktiv, dass die Schule wegen jeder Kleinigkeit verklagt werden kann. Hier wünsche ich mir, dass Politik und Kirche die Werte wieder klarer vermitteln.

Magazin: Wie lange wird es den Euro noch geben?“

Fabian Neitzel: „Der Euro steht und fällt mit Frankreich. Präsident Emmanuel Macron muss die Reformen durchbringen. Das Land steht vor großen Herausforderungen, denn da ist die arbeitende Bevölkerung stark belastet. Frankreich und Deutschland sind beide als starke Länder notwendig, Italien wird hier oft überschätzt. Fällt einer weg, kippt der ganze Euro. Wahrscheinlich ist aber, dass das eine oder andere Land noch aus dem Euro aussteigen wird.“

Bildnachweis: BLMAG
Quelle: Business Lounge Magazin

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