Jaspar Libuda über Klang, Gefühl und Freiheit auf der Bühne

Ansbach, 24. Oktober 2025 – Jaspar Libuda spielt keinen gewöhnlichen Kontrabass. Mit seinem Fünfsaitigen Instrument, einer Loop Station und Live-Elektronik erschafft der Berliner Musiker Klangwelten, die zwischen Jazz, Klassik und Filmmusik schweben. Im Interview spricht er darüber, warum Musik für ihn pure Emotion ist, wie seine Stücke entstehen und was das Publikum bei seinem Auftritt auf dem Jazzarise-Festival in Ansbach erwartet.

Fränkischer: Jaspar, für alle, die dich noch nicht kennen: Wie würdest du dich selbst beschreiben, was du machst?

Libuda: „Ich mache Musik, um meine Gefühle auszudrücken. Es gibt keine andere Kunstform, mit der ich das so gut machen kann. Mit Musik brauchte ich nichts zu erklären. Ganz tief im Unterbewusstsein liegende Gefühle können und dürfen in Melodien und Klänge nach oben kommen und ich kann das ungefiltert mit aller Kraft rausgeben. Ich kann auf der Bühne einfach so sein, wie ich bin. Ich muss mich nicht zusammenreißen oder aufpassen. Ich brauche mich nicht zu verstellen. Einfach alles rauslassen. Das ist wahnsinnig emotional, sowohl für mich als auch für das Publikum. Ich spiele ausschließlich meine eigenen Kompositionen, in denen ich auch improvisiere, um meinen Gefühlen freien Lauf lassen zu können. Und obwohl ich mehrere Instrumente spiele, ist mein Bühneninstrument der fünfsaitige Kontrabass mit hoher C-Saite. Dieses Instrument habe ich mir vor 11 Jahren bauen lassen. Damit kann ich noch höher spielen als auf einem normalen Kontrabass und habe trotzdem das tiefe Klangvolumen – quasi Cello und Kontrabass in einem Instrument. Meine Klangvorstellung entspricht großen und weiten Klangräumen. Um das umsetzen zu können, benutze ich eine Loop Station, um Melodien und Klänge übereinander zu schichten und ein Hallgerät, mit dem ich den Klang einer Kirche simulieren kann.“

Fränkischer: Du spielst Kontrabass, ein Instrument, das viele primär aus dem Orchester kennen. Was fasziniert dich daran besonders?

Libuda: „Das ist bei mir glaube ich sehr individuell. Ich habe immer – obwohl ich andere Instrumente vorher gespielt habe – unterbewusst nach einem Instrument gesucht, mit dem ich mich am besten ausdrücken kann. Ich habe als Kind mit Klavier angefangen, dann kam später als Jugendlicher Gitarre dazu (erst Klassische, dann Westerngitarre, dann E-Gitarre), dann noch E-Bass und Schlagzeug und Synthesizer, gesungen habe ich auch. Und dann kam der Kontrabass! Plötzlich konnte ich alles vereinen, was ich ausdrücken wollte, alle meine Gefühle konnten ein Ventil bekommen. Das hatte ich vorher bei den anderen Instrumenten zwar auch, aber nicht so stark. Und mit dem Kontrabass kann ich, das, was ich auf den anderen Instrumenten gelernt habe, vereinen: Ich übernehme Zupftechniken von der Gitarre und übertrage sie auf den Kontrabass. Ich spiele mit einem hohen Knickstachel, so dass der Mittelpunkt des Instrumentes höher liegt und in der Mitte des Griffbrettes: so wie der Klavierhocker auch in der Mitte vor dem Klavier steht und somit komme ich gleichermaßen an die tiefen wie auch an die hohen Töne – wie ein Pianist. Ich spiele Perkussion auf dem Korpus meines Instrumentes wie auf einem Schlagzeug. Mit dem Bogen spiele ich Klänge, die an Cello erinnern, aber auch elektrisch und gleichzeitig warm wie ein Synthesizer klingen können. Tatsächlich spiele ich aber am meisten mit dem Bogen und koste diesen wunderschönen, weichen, tiefen Klang des Instrumentes aus. Außerdem habe ich das Gefühl, mit dem Bogen auf meinem Instrument singen zu können.“

Fränkischer: Deine Stücke klingen oft sehr bildhaft, fast wie Filmmusik. Wie entstehen sie?

Libuda: „Immer aus einem Gefühl heraus! Das ist meistens unterbewusst. Da kommen dann einfach Melodien oder Klänge oder ganze Stücke hoch. Das kann direkt am Instrument passieren oder unterwegs oder beim Duschen. Und zu jeder Tag- und Nachtzeit! Ich denke, dass ich mit meiner Musik tiefliegende Schichten, die in mir verborgen sind, hochhole und verarbeite. Was den Klang der Stücke selbst betrifft, ist das, glaube ich, eine Mischung aus allen Musiken, die mich berühren und beeinflussen und natürlich meinen eigenen Klangvorstellungen. Ich habe viele, teilweise entgegengesetzte Einflüsse: von alter Musik und klassischer Musik, über elektronische Musik, Techno und Pop, bis hin zu krassem, hartem Noise und Metal. Meine größten Einflüsse sind aber Gregorianik und Minimal Music. Ich habe viel Zeit in Kirchen verbracht, sowohl in Deutschland als auch in Südfrankreich und habe gelernt, wie man Gregorianik singt und improvisiert. Diese Klangvorstellung von großen Kirchen mit großen Klangräumen und Musik mit freiem Puls übertrage ich auf meine eigenen Kompositionen. Und dann kommt natürlich dazu, dass ich selbst auch Filmmusik mache, zum Beispiel für die Moovie GmbH, eine Tochter von Constantin Film, für ARTE, für das BR Fernsehen und den RBB und zusätzlich ich mache auch Musik für zeitgenössische Tanztheaterstücke, die unter anderem in Berlin, Köln, München, Göteborg, Stockholm und San Francisco aufgeführt wurden. Also Musik zu Geschichten, Bildern und Bewegungen. Das spiegelt sich auch im Klang meiner Musik selbst wider.“

Fränkischer: Wenn du komponierst, denkst du dabei eher in Bildern, Gefühlen oder Klängen?

Libuda: „Das hast du schön formuliert! Ganz genau so. Ich denke so gut wie gar nicht in musikalischen Fachbegriffen, sondern wirklich vor allem in Gefühlen und Klängen. Und dadurch entstehen dann auch die Bilder. Das ist auch das, was ich nach Konzerten am meisten vom Publikum gesagt bekomme: das Bilder in ihren Köpfen entstehen und die Leute sich in Erinnerungen versetzt fühlen und dann plötzlich Situationen und Ereignisse nacherleben. In Gedanken an Orte gehen, wo sie gewesen sind oder gelebt haben. Im Herzen Menschen wieder begegnen, die für sie wichtig waren und sind. Das spiegelt sich auch in den Titeln meiner Alben wider: Musik aus Glas. Die Geburt der stillen Farben. Das Buch der Träume.“

Fränkischer: Deine Musik bewegt sich zwischen Jazz, Klassik und moderner Klangkunst. Wo fühlst du dich selbst am ehesten zuhause?

Libuda „Ich vertraue inzwischen einfach meinem Bauchgefühl und sage mir: das ist meine Musik, das entspricht mir. Das bin ich, das fühlt sich gut an. Dabei ist mir eine Zuordnung zu einer bestimmten Musikrichtung gar nicht wichtig. Es kommt immer darauf an, welche Gefühle ich ausdrücken möchte. Und dass ich mich und meine Musik immer wieder neu entdecken kann und mich selbst so wenig wie möglich wiederhole.“

Fränkischer: Du trittst am Samstag beim Jazzarise-Festival auf: worauf dürfen sich die Besucherinnen und Besucher freuen?

Libuda: „Auf ein hochemotionales Konzert! Ich spiele auf meinem Instrument mit einer Art und Weise, die viele noch nicht gehört haben. Außerdem ist mir die Stimmung sehr wichtig: Das Licht wird gemütlich und gedämpft sein, so dass sich alle auf ihre eigenen Gefühle konzentrieren können. Und ein guter Klang ist selbstverständlich, so dass das Publikum eintauchen kann in die tiefen, weichen Klänge, die sich zwischendurch aber auch in eine krassere und lautere Richtung entwickeln.“

Fränkischer: Hast du ein festes Programm oder entscheidest du spontan, was du spielst?

Libuda: „Beides! Ich habe einen festen Ablauf, den ich mir vorher überlege und dann spontan wieder umschmeiße. Es muss einfach passen und der Stimmung entsprechen, die im jeweiligen Moment die richtige ist. Deswegen nehme ich mir jede Freiheit, die ich brauche. In fast allen Stücken improvisiere ich, so dass es immer anders klingt und dem jeweiligen Moment entspricht.“

Fränkischer: Gibt es Themen, die dich immer wieder in deiner Musik beschäftigen?

Libuda: „Es geht um Gefühle. Um Liebe, das Fehlen von Liebe, das Suchen danach, das Geben. Um Freude, um Verlust. Um die Lust am Leben, den Spaß, den Genuss. Aber auch um Tod und Trauer. Um das immer wieder Weitermachen! Meine Musik klingt eher nachdenklich und melancholisch, manchmal traurig, aber immer spiele ich mit Lebensfreude und großem Genuss und aller Kraft und Energie, die ich aufbringen kann.“

Fränkischer: Wie erlebst du den Moment auf der Bühne? Ist das eher konzentriertes Arbeiten oder freies Loslassen?

Libuda: „Absolutes Loslassen! Und das kann ich nur mit meiner eigenen Musik. Deswegen habe ich schon vor langer Zeit beschlossen, dass ich auch genau das mache. Das ist für mich toll, jedes Konzert aufs Neue. Und fürs Publikum auch.“

Fränkischer: Hat sich dein Blick auf Musik oder deine Musik generell in den letzten Jahren verändert?

Libuda: „Ja, auf jeden Fall. Einfach durch das Leben an sich. Ich werde älter und gehe durch alles durch. Mit allem, was im Leben dazu gehört. Wie jeder andere Mensch auch. Es gibt leichtere Phasen im Leben und schwere. Das hört man auch in meiner Musik. Vielleicht wird sie reifer, das weiß ich nicht. Aber sie entwickelt sich ständig immer weiter. Stücke, die ich vor 20 Jahren schon gespielt habe, klingen jetzt anders. Es sind immer noch dieselben Kompositionen, aber ich spiele sie so, wie ich das eben jetzt fühle. Musik ist wie ein Wesen. Sie muss atmen können, muss sich entwickeln können und braucht Platz. Und dann gibt es natürlich noch Situationen und Erlebnisse, die mich ganz besonders geprägt haben. Zum Beispiel habe ich vor 11 Jahren Vipassana nach Goenka gelernt im Dhamma Shringa Meditation Centre in Nepal, Kathmandu. Seitdem meditiere ich fast jeden Tag. Das hat nicht nur meine Sicht auf das Leben verändert, sondern generell auch auf meine Musik. Ich kann noch tiefer eintauchen und richtig im Moment aufgehen. Das kommt natürlich aber auch mit den Konzerten und der Erfahrung selbst. Ich habe bald 1000 Konzerte als Solist gespielt und stehe seit 19 Jahren als Solist auf der Bühne. Diese vielen Erlebnisse führen unweigerlich dazu, dass sich meine Musik verändert, aber immer im Sinne einer Weiterentwicklung. Ich bin immer auf der Suche nach einer neuen Melodie, die tief berührt oder einem neuen Klang, der eine bisher verschlossene Tür aufmacht.“

Fränkischer: Woran arbeitest du gerade? Gibt es neue Projekte, auf die man sich freuen darf?

Libuda: „Ich arbeite an mehreren Sachen und Projekten. Aktuell nehme ich mit meinem Gitarristen Florian Segelke und meinem Schlagzeuger Sven Tappert das dritte Trioalbum auf. Unsere Fans warten schon länger darauf und bald ist es so weit. Ich komponiere und produziere die Musik für ein neues Tanztheaterstück, das Ende November im Südtirol Premiere hat. Dafür verwende ich zwei Flügel, mehrere Synthesizer und Drum-Machines. Ich bereite das Veröffentlichen meiner Musik auf den gängigen Plattformen im Internet vor, was innerhalb der nächsten Monate passieren wird. Außerdem arbeite ich an meinem nächstes Soloalbum. Und das nächste Tanztheaterstück wartet auch schon in der Pipeline.“

Fränkischer: Gibt es etwas, das du musikalisch unbedingt noch ausprobieren möchtest?

Libuda „Vieles! Es ist bei mir so, dass ich eigentlich immer das Gefühl habe, nicht hinterher zu kommen. Da ich viele Aufgaben, die mit der Organisation der Konzerte, der Arbeit für mein Label und dann natürlich das Komponieren, Produzieren, üben und das Konzerte geben, selbst mache, bleibt immer eine ordentliche Liste von dem, was ich gerne machen möchte. Dafür einmal genug Zeit und Ruhe zu haben, wäre schön. Aber vielleicht kann ich das in den nächsten Jahren einmal umsetzen. Das ist ein großer Wunsch von mir.“

Fränkischer: Für Personen, die dich noch nie live gehört haben: Warum sollte man am Samstag vorbeikommen?

Libuda: „Ich möchte alle ganz herzlich einladen, die sensible, gefühlvolle Musik lieben und Lust haben, selbst auf eine tiefe und emotionale Reise zu gehen. Meine Musik hat viel mit Gregorianik, Filmmusik, Minimal Music und großen Klangräumen zu tun. Ein schöner Klang wird Euch also ebenso erwarten wie eine warme und gemütliche Atmosphäre durch gedämpftes Licht, so dass alle in die Musik eintauchen können. Das Konzert geht eine gute Stunde bis etwa 20:15 Uhr. Ich mache keine Pause. Meine Musik braucht Stille und Aufmerksamkeit, damit alle im Publikum auf ihre eigene Reise gehen können. Daher erfolgt der Einlass nur bis Konzertbeginn. Getränke werden auch erst nach dem Konzert wieder verkauft. Ich bitte Euch, rechtzeitig am Kunsthaus Reitbahn zu sein. Ab 18:30 Uhr ist Einlass. Punkt 19 Uhr geht es los. Ich freue mich sehr auf Euch! Und es ist schön, wieder bei Euch in Ansbach zu spielen.“

Fränkischer: Was wünschst du dir, dass das Publikum aus dem Abend mitnimmt?

Libuda: „Was ich mir bei jedem Konzert wünsche: dass alle im Publikum von meiner Musk erfüllt werden und damit ein Stück zu sich selbst finden und dass wir alle zusammen einen schönen Abend haben!“

Foto: Elke Walter

JAZZD BEI UNS

Jazzabend mit Combos aus der Region in Ansbachs Lokalen und Kulturhäusern

Samstag 25. Oktobr 2025 Ab 19 Uhr