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„Dann mache ich es selbst!“

Warum Karl Reinhardt-Szowtucha den Dinkelsbühler Weihnachtsmarkt privatisierte, warum das zu einer Ehekrise führte, aber letztlich den Markt rettete?

Karl Reinhardt-Szowtucha steckt seit vielen Jahren hinter dem Weihnachtsmarkt in Dinkelsbühl. Durch viel Hartnäckigkeit hat er mit zur Erfolgsgeschichte der Budenstadt im idyllischen Innenhof der historischen Spitalanlage beigetragen, und ihn letztlich gerettet.

Im Jahr 1986 hat er sich selbstständig gemacht. „Meine Vorfahren kommen alle aus dem reisenden Handel. Das steckt bei mir im Blut“, sagt der Unternehmer. Der Markthandel war zu Zeiten von Reinhardts Kindheit noch ein anderer. Das Geschäft seines Vaters lief von Haustür zu Haustür. „Damals lebten noch zwei Generationen unter einem Dach. Da war immer jemand zuhause“, stellt er fest. Ab Anfang der 1990er Jahre begann Karl Reinhardt-Szowtucha mit Süßwaren auf Volksfeste und Jahrmärkte in Franken und Baden-Württemberg zu gehen. „Wir waren mit einer der ersten mit einer Bonbonbar. Damals haben 100 Gramm noch 1,60 D-Mark gekostet.“ Doch ein schweres Unwetter setzte 1992 den Holzstand seiner Frau Annemarie Szowtucha unter Wasser. Danach kaufte der Unternehmer zwei mobile Fahrzeuge für den Verkauf, mittlerweile sind sechs Fahrzeuge im Einsatz.

Unternehmer Karl Reinhardt-Szowtucha

Wie der Weihnachtsmarkttourismus beinahe an Dinkelsbühl vorbeigezogen wäre
Die Anfangszeiten des Dinkelsbühler Weihnachtsmarkts waren bescheiden, erinnert sich Karl Reinhardt-Szowtucha. Zehn Holzbuden vor der Sparkasse, er selbst war auch in der Vorweihnachtszeit im Einsatz. „Die Weihnachtsmärkte in Nürnberg und Rothenburg waren in aller Munde. Der Fremdenverkehr in der Stadt war damals noch nicht die Welt“, sagt der Unternehmer. „Viele Hotels und Gaststätten hatten von November bis Januar geschlossen, weil kaum einer ein Zimmer buchte. Heute ist es umgedreht: Wir bekommen die Touristen nicht mehr unter.“ Dann, im Jahr 2001, diskutierten die Verantwortlichen den Umzug des Weihnachtsmarktes. Im Raum standen der Platz vor der St.-Georgs-Kirche und der Spitalhof. Doch der Standort konnte sich wegen dem Altenpflegeheim und befürchtetem Lärm nicht durchsetzen. Mit dem Oberbürger-meisterwechsel 2003 kam die Wende. „Dr. Christoph Hammer hatte ein total offenes Ohr für den Umzug in den Spitalhof“, erinnert sich Karl Reinhardt-Szowtucha.

Ingenieure erstellten ein Gutachten. Markthändler, Geschäftsleute, Gewerbeverein und Stadtverantwortliche trafen sich zu einem ersten Treffen. Das Ergebnis: Die Anschaffung der Buden mitsamt der nötigen Leitungen und Elektrik für 250.000 Euro. 2003 ging der Weihnachtsmarkt dann zum ersten Mal am neuen Standort über die Bühne. Mit: 50.000 Euro Verlust für die Stadt für Auf- und Abbau sowie Lagerung der Buden. Bei der Versammlung im darauffolgenden Jahr kam es wegen der Kosten zu Reibereien. Und die Stunde von Karl Reinhardt-Szowtucha schlug. Mit ziemlicher Wut im Bauch stand er auf und sagte: „Es kann nicht sein, dass es an den Kosten scheitert. Ich brauche euch alle nicht. Ich mache alles selber“, sagte er in Richtung der Stadtverantwortlichen, Markthändler und Bankenvertreter. Dr. Christoph  Hammer habe die Situation gut eingeschätzt und darüber abstimmen lassen, so Reinhardt-Szowtucha. „Alle Hände gingen nach oben“, stellt der Unternehmer im Rückblick fest. „Ich hatte anfangs noch gar kein Konzept, und es kam zum Ehekrach.“

2004 fand der Weihnachtsmarkt zum ersten Mal unter der Leitung von Karl Reinhardt-Szowtucha statt, der die Kosten senkte. Die Lagerung der Holzbuden verlegte er ins Freie mit entsprechender Überwachung. Die Auf- und Abbauarbeiten übernahm der Unternehmer mit seinem Team selbst. „Es war alles wunderbar. Die Menschen aus dem Altenpflegeheim kamen auch herunter zum Glühweintrinken. Entgegen aller Befürchtungen wegen des Lärms gefiel es ihnen sogar“, sagt Reinhardt-Szowtucha. Durch seine Beziehungen suchte er sich Marktleute raus, die einmalige und hochwertige Produkte im Angebot haben – beispielsweise einen Glockengießer oder Drechsler. Er selbst betreibt zwei Buden mit Glühwein und Süßwaren, Tochter Kyra einen Stand mit Kartoffelchips. „Ohne den Umzug des Marktes wäre der Weihnachtstourismus mit dem Schnellzug an Dinkelsbühl vorbeigefahren“, sagt der Markthändler ein klein wenig stolz. „Das Zusammenspiel mit der Stadt funktioniert heute perfekt.“ Und auch nach den Feiertagen geht es weiter, am zweiten Weihnachtstag öffnet bis Neujahr am Altrathausplatz der Weihnachtshof – eine kleinere Version des großen Bruders im Spitalhof. Aber natürlich mit Glühwein und Bratwurst im Angebot. Dinkelsbühl und Weihnachten scheinen wie gemacht füreinander, das fanden auch die Leser eines Onlineportals, die ihn zum schönsten in Franken kürten. Malerische Plätze, verwinkelte Gassen, viele historische Türme und bunte Fachwerkhäuser locken jedes Jahr rund 70.000 Besucher auf den Weihnachtsmarkt im Spitalhof, wie Oberbürgermeister Christoph Hammer sagt. „Er ist ein weihnachtliches Wohnzimmer.“

Quelle: Business Lounge Magazin

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